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Den eigenen Arbeitsplatz bewachen

■ Gestern früh begann die Betriebsbesetzung der Firma Steen in Elmshorn. IG Metall fordert Rettung am „runden Tisch“

Gestern morgen 7.09 Uhr: In der Kantine haben sich über 40 ArbeiterInnen des Elmshorner Schiffswinden-Werkes Steen versammelt. Per Handzeichen wird einstimmig die Erklärung des Aktionsausschusses verabschiedet: „Notwehr! Dieser Betrieb ist besetzt! Wir bewachen unsere Arbeitsplätze.“

Die Firma Steen hat in den vergangenen Jahren eine ungewöhnliche Entwicklung hinter sich. Der Familienbetrieb war 1993 von der „KGW-Maschinenbau-GmbH“in Schwerin – nach IG Metall-Infos mit Treuhand-Geldern – gekauft worden. „Innovation Ost durch Betriebskauf West war damals in“, so Gewerkschafts-Sekretär Uwe Za-bel. Doch Preisverfall, Verdrängungswettbewerb und der Rückgang an Marineaufträgen sorgten für enorme Umsatzeinbußen. Während die Konkurrenten Produktionsverlagerungen in Billiglohnländer betrieben, setzten die Steen-Leute auf die eigene Kraft. Sie effektivierten Arbeitsabläufe durch Gruppenarbeit und Qualitätskontrollen, entwickelten mit Technologieberatungsstellen und Friedensinstituten neue Produktpaletten und trieben in Eigenregie EU-Gelder ein.

Durch die Verbesserungen konnte eine 30prozentige Produktionssteigerung erzielt werden, so daß in diesem Jahr der Betrieb schwarze Zahlen schreiben könnte. Doch die Schweriner Drohung, einen „Manager auf Zeit“zu entsenden, macht die Elmshorner wütend. „Der soll uns plattmachen“, so ein Mitarbeiter.

Die Steen-Belegschaft vermutet, daß sie zum Spielball zwischen „Geschäftsführung Ost“und „Anteilseigner West“geworden ist. Denn 80 Prozent der KGW-Anteile hält mittlerweile die Hamburger „Treugarant“. Die KGW – einst maritimer DDR-Vorzeigebetrieb mit 1500 Beschäftigten, jetzt defizitärer Mittelstandsbetrieb mit 150 Leuten – schreibt rote Zahlen. Ein Verkauf an einen neuen Eigentümer zum Zwecke der Steuerabschreibung (Verlustzuweisung) käme nur ohne Steen in Frage. Eine andere Vermutung lautet, Steen und KGW sollen geschlossen werden. Allein der Verkauf der KGW-Immobilie in der Schweriner City würde der Treugarant geschätzte 80 Millionen Mark einbringen.

Die IG Metall setzt dagegen auf eine „strukturpolitische Lösung“: Ein runder Tisch unter Mitwirkung des Kieler Wirtschaftsministeriums soll den Zusammenschluß von Steen nach Verselbständigung mit anderen maritimen Betrieben im Raum Elmshorn ermöglichen. Dadurch könnten mehr als 500 Arbeitsplätze gerettet werden, und die Landesregierung könnte Fördermittel freigeben, die sonst im Osten versacken würden.

Die Treugarant wollte sich gestern gegenüber der taz zum „Fall Steen“nicht äußern. Kai v. Appen

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