Müllentsorgung bleibt brennende Frage

Verhandlungen am Runden Tisch über ein gemeinsames Konzept für die Müllentsorgung gescheitert: Wirtschaft plädiert nach Mediation in eigenem Bericht erneut für Müllverbrennung, die Umweltverbände dagegen  ■ Von Bernhard Pötter

Die Verhandlungen zwischen der Wirtschaft und den Umweltverbänden zur Zukunft der Müllpolitik sind gescheitert. Bei der heutigen, letzten Sitzung des „Mediationsverfahrens“ wird es nicht wie geplant einen gemeinsamen Abschlußbericht geben. „Die Absicht, einen integrierten Gesamtbericht zu erstellen, erwies sich als undurchführbar“, heißt es aus dem Büro des Vermittlers an diesem Runden Tisch zur Entsorgungspolitik. Wirtschaft und Umweltverbände legen deshalb jeweils eigene Berichte vor: Die Wirtschaft hält am Neubau einer Müllverbrennungsanlage (MVA) fest, die Umweltverbände betrachten sie als überflüssig. Entscheiden muß nun die Umweltverwaltung.

Das „Mediationsverfahren“ war im April begonnen worden, um nach einem Konsens in der gegensätzlichen Beurteilung der in Zukunft anfallenden Müllmengen und deren Beseitigung zu suchen. Die ursprünglichen Planungen des „Abfallentsorgungsplans“, den die Umweltverwaltung des Senators Volker Hassemer (CDU) mit Daten aus dem Jahr 1992 aufstellte, gehen von 1,4 Millionen Tonnen Müll im Jahr 2005 aus, für deren Beseitigung eine neue MVA nötig wäre. SPD-Umweltsenator Peter Strieder und das Abgeordnetenhaus forderten eine Überprüfung dieser Szenarien. Ein Gutachten, das die Teilnehmer des Mediationsverfahrens in Auftrag gaben, kam zu dem Schluß, daß die ursprünglich angenommene Menge von 1,4 Millionen Tonnen zu hoch gegriffen war: Von derzeit etwa 1,6 Millionen Tonnen jährlich schwinde der Müllberg um 40 Prozent auf etwa 900.000 Tonnen im Jahre 2005. Bei verstärkten Reduktionsbemühungen sei dieser Betrag sogar auf 850.000 Tonnen zu drücken. „Alle Planungen für neue Müllverbrennungsanlagen sind damit überholt“, kommentierten die Umweltverbände.

Die Wirtschaft, vor allem die Stadtreinigung BSR und die Bewag mit ihren bereits weit fortgeschrittenen Plänen zur Errichtung einer neuen MVA, zogen das Gutachten des Öko-Instituts Darmstadt und der Berliner Firma G.A.T. als „tendenziös, unrealistisch und keine belastbare Planungsgrundlage“ in Zweifel. Deshalb legten die Vertreter der Wirtschaft einen Abschlußbericht vor, der an der alten Linie (hoher Müllberg, neue MVA) festhält: Es gebe „derzeit keine ökologisch vertretbare Alternative zur thermischen Behandlung von Restabfall“, 2005 würden 1,2 Millionen Tonnen Müll zur Entsorgung anfallen, die „zusätzlich erforderliche Anlagenkapazität“ liege bei 405.000 bis 635.000 Tonnen Müll pro Jahr. Das Mediationsverfahren, heißt es in dem Bericht der Wirtschaft, habe „keine grundsätzlich neuen Aspekte“ gebracht: „Es besteht kein Anlaß, einen neuen Abfallentsorgungssplan zu erarbeiten.“ Die Blockade der nötigen Investitionen gefährde die Entsorgungssicherheit, Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort Berlin.

Das sehen die Umweltverbände (wie bereits vor der Mediation) anders: In ihrem Abschlußbericht formulieren sie: „Eine Überarbeitung des Abfallentsorgungsplans ist dringend geboten. Das Festhalten an den bisherigen Planungen würde ein nicht zu verantwortendes ökonomisches und ökologisches Risiko bedeuten.“ Eine neue MVA sei unsinnig, denn „durch Nutzung und gegebenenfalls Erweiterung vorhandener Kapazitäten können in 2005 bis zu 1,155 Millionen Tonnen entsorgt werden“. Bei konsequenter Vermeidung und Verwertung blieben aber nur 850.000 Tonnen Restmüll.

Mit dem Ende der Mediation ist die Hoffnung der Umweltverwaltung hinfällig, durch das Verfahren zu einer gütlichen Einigung zu kommen. Die Entscheidung für oder gegen den Neubau einer MVA liegt jetzt bei Umweltsenator Strieder.