: Hinter der Milliardenspende, mit der jüngst US-Medientycoon Ted Turner die UNO beglückte, steckt mehr als nur Philanthropie. Denn Turner wollte nicht nur der chronisch klammen Organisation helfen, sondern auch die US-Regierung düpieren, die schlechte Zahlungsmoral zeigt. Daß ein Krösus zum Wohltäter wird, ist nichts Schlechtes. Doch was passiert, wenn milliardenschwere Mäzene an ihre Spende Bedingungen knüpfen und Politik machen? Von Andrea Böhm
Milliardäre machen Außenpolitik
Ihre Großzügigkeit ist in aller Munde, ihr Reichtum nicht mehr Gegenstand von Diskussionen über Ungleichheit, sondern über das Gute im Milliardär. Statt um die besten Plazierungen in der Liga der vermögendsten Männer zu kämpfen, die jährlich das Wirtschaftsmagazin Forbes erstellt, hat Medienmilliardär Ted Turner mit seiner angekündigten Spende von einer Milliarde Dollar an die Vereinten Nationen unlängst eine neue Disziplin eröffnet: Der Größte ist, wer die höchste Spendenquittung vorweisen kann.
Die Kultur der Philanthropie hat in den USA eine lange Tradition, die in Zeiten leerer Staatskassen in Deutschland viele Augen neidvoll über den großen Teich schielen lassen: Wenn der Fiskus pleite ist, könnte doch auch hier der Krösus zum Wohltäter werden, anstatt durch Steuerschlupflöcher zu wedeln. Über die Folgen der Privatisierung staatlicher Aufgaben im Sozial-, Bildungs- oder Gesundheitsbereich wird derzeit ausführlich debattiert und gestritten. Doch nirgendwo taucht die Frage auf: Was passiert, wenn Mäzene Außenpolitik machen?
Dabei geht es nicht um die Wahlkampfspenden, mit denen sich Unternehmer und Lobbyisten Einfluß auf die Außenhandelspolitik ihrer Regierung sichern. Es geht um Institutionen der internationalen Politik, von der UNO bis zum nationalen Außenministerium, „deren Aufgaben mehr und mehr von nichtstaatlichen Einrichtungen wahrgenommen werden“. Und es geht um „Leute, die darüber nachdenken, eine enorme Menge Geld zu verteilen“.
So sprach dieser Tage Timothy Wirth, der vor kurzem vom Posten eines stellvertretenden US-Außenministers auf den Direktorenstuhl jener Stiftung gewechselt ist, die Ted Turners Spende für die UNO verwalten soll. Diese darf man zweifellos unter der Rubrik „enorm“ verbuchen. Die Summe – in weniger als einem Jahr aus Aktiengewinnen verdient – entspricht zwei Dritteln jener 1,5 Milliarden Dollar, mit denen die US-Regierung bei den Vereinten Nationen in der Kreide stehen. Jährlich 100 Millionen sollen über die nächsten zehn Jahre an die Stiftung fließen. Was und wieviel die UNO und ihr Generalsekretär Kofi Annan dabei mitzubestimmen haben, ließ Timothy Wirth im dunkeln.
Nun wollte Turner mit seinem Scheck nicht nur der UNO helfen, sondern auch das Weiße Haus und den US-Kongreß düpieren, der die Begleichung der Schulden der USA bei der UNO mit inakzeptablen Konditionen verknüpft hat. So soll die UNO militärische Friedensmissionen in Zukunft dem US-Parlament zur Genehmigung vorlegen. Turners gute Absichten will Phyllis Bennis, UNO-Expertin und Fellow am „Institute for Policy Studies“, gar nicht in Zweifel ziehen. Aber sie befürchtet einen Bumerangeffekt. Denn private Mäzene könnten mit ihrem ganz privaten Geld der UNO auch ihre ganz privaten Prioritäten aufdrücken (siehe Interview).
Gute Zusammenarbeit demonstrieren schon seit längerem das US-Außenministerium und der amerikanische Börsenmilliardär George Soros. Gerade hat Soros bekanntgegeben, in den nächsten drei Jahren in Rußland weitere 500 Millionen Dollar in das Gesundheits- und Schulwesen sowie die Umschulung von Soldaten investieren zu wollen. Das ist mehr Geld als die staatliche US-Hilfe für das ehemalige „Reich des Bösen“.
Bereits 1996 übertraf Soros, dessen Vermögen auf fünf Milliarden Dollar geschätzt wird, die Auslandshilfe der Clinton-Regierung an Länder wie Weißrußland, Ex- Jugoslawien oder sein Geburtsland Ungarn. Der Mann, der 1992 durch Devisenspekulationen das britische Pfund in den Keller sacken ließ und an einem einzigen Tag eine Milliarde Dollar verdiente, beschreibt sich selbst als „Finanzier und Spekulant, Philosoph und Philanthrop“, dem vor allem die Förderung der demokratischen Strukturen im ehemaligen Ostblock am Herzen liegt.
Für seine Taktiken an den Finanzmärkten wird er von vielen gehaßt, für sein Mäzenatentum geachtet und geehrt – unter anderem vom stellvertretenden US-Außenminister Strobe Talbott, der in Washington für die Osteuropa- und Rußlandpolitik verantwortlich zeichnet. Ob Soros mit seiner Stiftung und seinem Geld die Infrastruktur in Sarajevo wiederaufbaut, ungarische Universitäten saniert oder eben in Rußland dringende staatliche Aufgaben übernimmt – er zählt, so Talbott, zu den vier Parteien, mit denen die US- Regierung ihre Osteuropa-Politik koordiniert. Die anderen drei sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Soros, so lobt die Zeitschrift The Economist, versuche sich an außenpolitischen Aufgaben, „die Regierungen bislang als ihre Audgaben betrachteten“.
Das muß keineswegs immer im Einvernehmen zwischen Staat und Mäzen geschehen. Irving Moskovitz, Multimillionär aus dem US- Bundesstaat Florida, zum Beispiel hält seine Millionenspenden für den puren Dienst am Menschen und den Weltfrieden. Über 30 Millionen Dollar hat der 69jährige Arzt, der sein Vermögen mit dem Ankauf von Pflegeheimen und Krankenhäusern machte, mittlerweile an jüdische Siedler in den ehemals oder noch besetzten Gebieten sowie im arabischen Ostteil Jerusalems überwiesen. Nach Ansicht der Friedensgruppe „Peace Now“ plant Moskowitz seine Projekte, um den Friedensprozeß möglichst effektiv und nachhaltig zu stören. 1996 finanzierte er trotz massiver arabischer Proteste die Öffnung eines Tunnels entlang jüdischer und islamischer heiliger Stätten. Bei den nachfolgenden Zustammenstößen zwischen Palästinensern und Israelis kamen 76 Menschen ums Leben.
Philanthropie, schreibt der Economist, werde nicht zuletzt dadurch interessant, daß „reiche Männer politische Entscheidungen ihrer Regierungen, die ihnen nicht passen, kontern können“. Die wiederum haben in Zeiten der Privatisierung und Globalisierung nicht viel Spielraum, solche „Konter“ zu stoppen. Es sei denn, sie überreden einen George Soros dazu, einen Irving Moskovitz aufzukaufen.
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