■ Filmstarts à la carte
: Ganz und gar nicht doof

Als „Dick & Doof“ sind Oliver Hardy und Stan Laurel in Deutschland bekannt und populär geworden — leider jedoch vor allem mit für das Fernsehen bearbeiteten (das heißt verstümmelten und „vertonten“) Fassungen ihrer Stummfilmklassiker. Ein Grund mehr, sich die Originalfilme des genialen Komikerduos anzusehen, die im Babylon-Mitte auch am kommenden Sonntag wieder einmal von Jürgen Kurz am Flügel begleitet werden.

Für das Publikum der Depressionsära wurden Stan & Ollie zu Identifikationsfiguren, weil sie die ewigen Verlierer des amerikanischen Traumes verkörpern: Kleine Spießer auf der Suche nach Erfolg, Geld und privatem Glück, die dann doch nur von einer Katastrophe zur nächsten stolpern. Als sich Laurel & Hardy im Jahre 1927 beim Hal-Roach- Studio zum Duo zusammenfanden, entwickelten sie gemeinsam mit Leo McCarey — „Supervisor“, Autor und Regisseur bei Roach — die sogenannte „tit for tat“-Komik (wie du mir, so ich dir), die in „Big Business“ von James Wesley Horne ihre vielleicht schönste Ausprägung findet: Genervt von der Adringlichkeit zweier Weihnachtsbaumverkäufer (Laurel & Hardy), zerschnippelt ein potentieller Kunde (James Finlayson) den Baum mit einer Gartenschere. Dies veranlaßt Stan und Ollie, nun ihrerseits Finlaysons Haus und Garten in einer Orgie der Zerstörung zu verwüsten.

Unerläßlich für die komische Wirkung des „tit for tat“ ist vor allem die verzögerte Reaktion der Schauspieler — konträr zur Erwartungshaltung des Publikums. Ein extremes Beispiel findet sich in „That“s My Wife“ (Regie: Lloyd French): Als Ollie in einem Restaurant einen aufdringlichen Gast mit Suppe begießt, ordert der Mann seinerseits einen Teller Suppe, den er jedoch sorgfältig nach draußen balanciert. Die „Rache“ erfolgt erst zehn Minuten später, als Hardy das Lokal verläßt und niemand mehr damit rechnet.

Reiner Slapstick — wie in Leo McCareys „Liberty“, wo Stan & Ollie bei der Flucht aus dem Gefängnis vesehentlich ihre Hosen vertauschen und bei diversen Rücktauschversuchen in peinlichen und kompromittierenden Situationen ertappt werden — findet sich im Werk der Komiker jedoch weniger häufig als man vielleicht erwarten mag. Oft ergab sich die Komik auch aus dem Zusammentreffen verschiedener Gesellschaftsschichten. In „Double Whoopee“ (Regie: Lewis R. Foster) wird beispielsweise die High Society veralbert: In einem vornehmen Hotel am Broadway erwartet man die Ankunft eines europäischen Prinzen und seines Premierministers. Stan und Ollie, die im Hotel arbeiten sollen, werden versehentlich mit dem hohen Besuch verwechselt. Ebenso grotesk wie die beflissene Diensteifrigkeit des Personals erscheint auch Oliver Hardys (typische) Reaktion: Geschmeichelt trägt er sich mit großer Geste am Empfang ein, um sodann mit vollendeter Grandezza sein Empfehlungsschreiben, das ihn als neuen Portier ankündigt, zu überreichen. Nachdem sich das Mißverständnis aufgeklärt hat, wird vor allem der hochnäsige echte Prinz (eine Erich-von Stroheim-Parodie, gespielt von dessen Double) immer wieder Opfer ihrer kindlich-arglosen Inkompetenz und macht — der Running Gag des Films — mehrfach Bekanntschaft mit einem schmierigen Fahrstuhlschacht.

Sie seien Kleingeister mit großen Ambitionen und noch größeren Attitüden, hat Fritz Göttler einmal über die Filmfiguren Laurel & Hardy geschrieben. Ihr bis heute anhaltender Erfolg läßt vermuten, daß wir alle uns ein Stück weit in dieser Chrakteristik wiederfinden.

„Liberty“; „That's My Wife“; „Double Whoopee“; „Big Business“,

21.12. im Babylon Mitte

Lars Penning

Stan Laurel und Oliver Hardy (III):