Kapitäne nicht immer schuld an Havarien

■ Reeder verurteilt, weil er ein überladenes Schiff losschickte. Profitgier als Motiv

Hamburg (taz) – Erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte wird ein Reeder für die Sicherheit seines Schiffes zur Verantwortung gezogen. Das Hamburger Amtsgericht verurteilte gestern den Lübecker Reeder Heinrich Beutler zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung und einer Geldbuße in Höhe von 20.000 Mark. Seiner Firma SK Schiffahrt gehörte der Zementfrachter Scantrader, der im Februar 1990 in der Biskaya gesunken war. Alle 12 Seeleute kamen dabei ums Leben. Beutlers Sohn und Kompagnon Heiner sowie der Kaufmann Jerzy Kulakowski wurden freigesprochen. Es sei „reiner Zufall“, daß das Schiff nicht schon vorher gesunken war, betonte Amtsrichter Hans-Peter Bünning.

Erst wenige Monate vor der Todesfahrt war das 26 Jahre alte Schiff zum Zementfrachter umgebaut worden. Die Werft hatte gegenüber Beutler mehrfach gewarnt, daß das Schiff instabil sei und immer Ballastwasser oder eine entsprechende Menge Treibstoff mit sich führen müsse. Doch statt dessen waren die Laderäume mit profitbringendem Zement gefüllt. Daß der Frachter überladen war, wollten die Angeklagten allein dem Schiffsführer anhängen. „Der Kapitän heißt in der Schiffahrt auch ,master next to god‘“, hatten sie das Gericht belehrt und behauptet, selbst nicht einmal gewußt zu haben, wieviel die Scantrader transportieren konnte. Das bezeichnete der Staatsanwalt, der für alle drei Angeklagten zweieinhalb Jahre Gefängnis gefordert hatte, als „infam“: „Sie haben das Schiff extra für den Zementttransport umbauen lassen. Auf der Lademenge baute ihre Kalkulation auf.“ Zudem war dem vorherigen Kapitän gekündigt worden, weil er sich geweigert hatte, das Schiff überladen zu fahren.

Auch Richter Bünning erinnerte in seiner Urteilsbegründung daran, daß die Sprüche zur Machtstellung des Kapitäns aus der Zeit der Segelschiffahrt stammten: Aus einer Zeit, in der der Kapitän nicht über Telefon Kontakt mit der Reederei aufnehmen konnte und entsprechend mit umfassenden Vollmachten ausgestattet sein mußte. „Heute nennt man Kapitäne auch schlicht Überseetransportbegleiter“, belehrte er Beutler. Einen ersten Schuldspruch von 1990 hatte das Bundesverkehrsministerium wieder einkassiert: „Wir sind nicht die Weltpolizei.“ Elke Spanner