Umstrittene Personalia

Bonn und Prag können sich über deutsch-tschechischen Zukunftsfonds nicht einigen. Streit um Sudetendeutsche  ■ Aus Bonn Markus Franz

Um den deutsch-tschechischen Zukunftsfonds zur Entschädigung tschechischer NS-Opfer bahnt sich eine neue Kontroverse zwischen Bonn und Prag an. Die noch für 1997 geplante Unterzeichnung dieses Projekts wurde offenbar auf Betreiben Bonns verschoben, weil man sich noch nicht über die personelle Besetzung des Verwaltungsrats des Zukunftsfonds einig ist.

Während die Bundesregierung verkündete, daß „die noch offenen Fragen“ bis Ende Januar abschließend geklärt würden, erklärte die tschechische Regierung, sie sei ab sofort unterschriftsbereit. Außenminister Jaroslav Sediviy widersprach damit der Darstellung, die Prager Regierung sei auf die Unterzeichnung der Vereinbarung noch nicht vorbereitet. Am Dienstag abend hatte der Außenpolitikexperte der SPD, Günter Verheugen, Außenminister Klaus Kinkel geoutet. Dieser hatte ihm gegenüber erklärt, die Verschiebung des Vertragsabschlusses basiere auf der derzeitigen Handlungsunfähigkeit der Prager Regierung. Verheugen nannte die unterschiedlichen Darstellungen einen peinlichen Vorgang. Die SPD erwarte nun von der Bundesregierung Aufklärung darüber, welche Fragen noch offen seien. Die Frage der Besetzung für die Gremien des Zukunftsfonds könne nicht als Begründung für die Verzögerung akzeptiert werden. „Es geht hier nicht um Formalitäten, sondern um das Schicksal von Opfern der NS-Gewaltherrschaft.“

Die CSU beharrt allerdings weiter darauf, die beiden Funktionäre des sudetendeutschen Vetriebenenverbandes Fritz Wittmann (CSU) und Volkmar Gabert (SPD) in den achtköpfigen Verwaltungsrat des Zukunftsfonds zu berufen. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber eine entsprechende Zusage gegeben. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte gestern: „Die von der SPD betriebene Ausgrenzung der Sudetendeutschen aus dem deutsch-tschechischen Versöhnungsprozeß ist schamlos.“ Keine Gruppe der Bevölkerung habe ein ähnlich großes Interesse an intensiven Beziehungen zur Tschechischen Republik wie die Sudetendeutschen. Die tschechische Seite könne Deutschland bei dieser Personalentscheidung keine Vorschriften machen. Aus Kreisen der CSU hieß es weiter, es sei skandalös, wie die SPD als Oppositionspartei versuche, Außenpolitik zu machen. Für die Tschechen sei es nach dem öffentlichen Wirbel nun noch schwieriger, die Vertriebenenfunktionäre zu akzeptieren. Die SPD-Europapolitikerin Heidemarie Wieczorek-Zeul sagte dazu: „Regionalparteien haben in der Außenpolitik nichts zu suchen.“

Die tschechische Regierung hat sich zur Besetzung des Gremiums offiziell noch nicht geäußert. Aus Regierungskreisen verlautete, Mitglieder der Sudetendeutschen Landsmannschaft seien schon aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen. Ein im Herbst in Tschechien verabschiedetes Stiftungsrecht sehe vor, daß potentielle Nutznießer von Stiftungen nicht gleichzeitig Mitglieder derselben sein dürften. Als solche kommen aber Sudetendeutsche potentiell in Betracht.

Die tschechische Seite betont, daß das Stiftungsgesetz keine Lex Zukunftsfonds sei. Die CSU bestreitet das. Sie hält das Stiftungsgesetz für ein „ganz böses Foul“. Sie werde keinesfalls akzeptieren, daß die Sudetendeutschen „auf kaltem Wege“ ausgegrenzt würden.