Durchs Dröhnland
: Die Disko im Sinn

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Man stelle sich vor, böswillige Gitarrenriffs würden mal nicht als imaginäre Schwanzverlängerung eingesetzt, sondern in monotoner Gleichförmigkeit aneinandergereiht. Das Schlagzeug nicht knallend mit Stöcken dick wie Kleinkinderarme bearbeitet, sondern vorsichtig und dazu unterlegt mit einem leicht pulsierenden Beat. Dann hat man plötzlich sowas wie Metal als Trance oder zumindest Ambient.

Fettzen.Logger sind dazu durchaus in der Lage, schließlich stammen die Mitglieder des in Berlin stationierten Verbunds aus Kapellen, die sich schon seit Jahren um den avancierten Umgang mit dem härteren Stoff bemühen. Rekrutiert wurde in heimischen Gefilden beim Caspar Brötzmann Massaker und Herbst in Peking, aber auch in der Schweiz bei den Avant-Industriearbeitern von Alboth. Sie selbst nennen ihre Musik „metal dub“, und das beschreibt es ziemlich exakt, denn die klassischen Gitarren-Sounds werden nicht nur zu rhythmischen Zwecken, sondern des öfteren auch pointiert eingesetzt, wie die obskuren Space-Geräusche im Dub, auf die Fettzen.Logger wiederum auch nicht ganz verzichten wollen.

Die schönsten Momente sind die, in denen der Beat ereignislos dahinpuckert, nichts zu passieren scheint. Momente, in denen man gezwungen wird, genauer hinzuhören, und dann – in dem Augenblick, in dem der absolute Stillstand droht – ein klitzekleines Ereignis die Spannung löst.

Soetwas können halt doch nur Menschen, Maschinen nicht.

19. 12., 22 Uhr, Tacheles,

Oranienburger Straße 53–56, Mitte

Man stelle sich vor, Pop möchte weiter unbedingt seine hübschen kleinen Melodien singen, aber ums Gottverrecken nicht wie die vielen anderen doofen Pops klingen. Also fängt Pop an, mit Klavierkaskaden und Industrialbrettanfällen zu experimentieren.

Oder man stelle sich vor, Pop will auch ein wenig TripHop machen, so mit geheimnisvoller Frauenstimme und extra kühler Instrumentierung.

Vielleicht ist Pop ja auch ein uneheliches Kind von Punkrock und läßt die Rhythmusmaschine ein bißchen rumbrettern. Pop hat auch eine Schwäche für große, ausladende, leicht zum düsteren neigende Gesänge. Pop kommt aus Ljubljana, heißt Niowt und bemüht sich in englischer Sprache um internationalen Anspruch, der auch – abgesehen von einer leichten Altbackenheit – eingelöst wird.

19. 12., 21 Uhr, Lindenpark Potsdam, Stahnsdorfer Straße 76

Man stelle sich vor, ein paar Jungs würden sich treffen, um endlich mal loszurocken. Der eine oder andere wird sagen, das kommt doch tausendfach vor. Und er hat recht damit, reiht man sich doch immer noch gern ein in die endlose Phalanx jungenhafter Bruderschaften, die ihre Ergüsse nicht unbedingt ejakulieren oder daherkotzen müssen, sondern lieber in musikalischer Form darreichen.

Das hört sich jetzt böser an, als es gemeint ist, vielmehr soll hier (wieder einmal) eine Lanze gebrochen werden für die Musik als Ausdruckstherapie für Jungmänner, schließlich ist das allemal zivilisierter als andere Formen. Vor allem im unwirtlichen Norden, wo sonst nur der Alkohol bleibt, greift man gern zur Gitarre, natürlich auch in Schweden, wo sich in der kleinen Industriestadt Skelleftea, aus der auch die Wannadies stammen, vor vier Jahren vier Jungs unter dem Namen Jearl Pam zusammenfanden, die die Songs einer nicht ganz unbekannten amerikanischen Band nachspielten.

Inzwischen heißen sie Carpe Wade, werden von ihrer Plattenfirma mit Hüsker Dü verglichen, aber sie machen immer noch Jungsrock. Ihre letzte EP heißt „Elvis“, und gleich im ersten, fast schon programmatisch zu nennenden Stück ihrer letzten LP „Odd Man Out“ formulieren sie ehrlich und offen, wonach ihnen der Sinn steht: „I've got disco on my mind and I wish it was rock 'n' roll“.

Von solchen Jungsproblemen haben auch Backfish schon was gehört, nur dummerweise sind sie Mädchen, also muß es bei ihnen nicht die volle Packung sein. Ein paar frotzelnde Beat-Gitarren tun es auch. Ansonsten ist man gerade in dem Alter, in dem man die Achtziger und die New Wave schon nicht mehr so richtig aus eigener Anschauung kennengelernt hat. Demnächst werden Backfish die große weite Welt erobern, denn die larmoyanten, von einer obskur fröhlichen Tristesse beherrschten Melodien der Cardigans haben sie schon drauf.

20. 12., 21 Uhr, Huxleys Jr.,

Hasenheide 108, Neukölln

Man stelle sich vor, in einem Genre häufen sich die Supergroups, Auflösungen und Reunionen. Gar nicht gut ist das, denn es deutet auf nichts anderes als auf das nahende kreative Ende hin. Bei den Metallern geht das schon ein Weilchen so und auch im benachbarten Hardcore. Agnostic Front, im Grenzbereich dazwischen beheimatet, hatten sich eigentlich schon 1992 aufgelöst, aber sich in diesem Sommer in der Originalbesetzung von 1982 wieder zusammengeschmissen. Den Hardcore, den haben sie damals ja quasi miterfunden, nun gilt es, noch etwas für den drohenden Ruhestand beiseite zu schaffen. Oder einfach noch einmal Spaß zu haben. Den scheint die Branche um jeden Preis zu wollen.

Im Vorprogramm hätten wir Maximum Penalty, die die netten Errungenschaften in den Müllsack kehren und sich zumindest wieder ein wenig hin zum längst ausgestorben gewähnten Eunuchengesang und Gitarrengewichse wagen. Dabei haben die Songs der New Yorker bedenklich viel Hitpotential. Kann der Mainstream mehr als ein Metallica ertragen?

Mit Morning Again, Vision,

20. 12., 20 Uhr, SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Man stelle sich vor, es ist Weihnachten und keiner geht hin. Statt dessen besuchen alle die überzeugt ostdeutsche Quasselstrippe Dr. Jürgen Kuttner, der zum „Fest mit Freunden“ lädt. Der sollte die Moderation popphilosophischer Laberrunden lieber seinlassen, aber als Conférencier bunter Abende ist er reichlich unübertroffen.

An diesem nicht nur bunten, sondern auch überaus weihnachtlichen Abend werden die Poptarts einen auf LowFi machen, Françoise Cactus & Brezel Göring sich mal ohne Stereo Total versuchen, Henning wieder todtraurig und Martin Menzel immer noch 17 Jahre alt und zum Schlager geboren sein, Mike Lehmann von der Aquariumspflege berichten, Jochen seine Lieblingsfilme zeigen und noch vieles mehr passieren.

24. 12., 22.30, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte Thomas Winkler