VW do Brasil entläßt 3.000 Arbeiter

■ Der wichtigste brasilianische Privatkonzern leidet unter Verkaufseinbrüchen und entläßt „Freiwillige“ gegen Abfindungen

Rio (taz) – Volkswagen do Brasil hatte hoch gepokert: 10.000 der insgesamt 31.000 Beschäftigten aller VW-Fabriken würden entlassen, falls die Metallarbeitergewerkschaft nicht 20prozentige Lohnkürzungen und eine geringere Arbeitszeit akzeptiert. Grund: Verkaufsrückgänge um 40 Prozent in den letzten Monaten, auf über 50.000 Fahrzeuge gewachsene Autohalden und die nach dem jüngsten Börsencrash auf welthöchstes Niveau angehobenen Realzinsen. Gewerkschaftschef Luiz Marinho protestierte im Namen aller VW-Arbeiter, der Industriegürtel des wichtigsten lateinamerikanischen Wirtschaftsstandorts São Paulo werde zum „Kriegsschauplatz“, falls VW die Drohung wahrmache. Denn VW ist der wichtigste private Arbeitgeber der neuntgrößten Wirtschaftsnation. Manager aus Wolfsburg reisten eiligst an, um mit Marinho eine Zwischenlösung auszuhandeln: Statt der Massenentlassungen „freiwillige Kündigungen“ von möglicherweise über 3.000 Beschäftigten bis zum 9. Januar. Gestern mußten die Belegschaften auf Versammlungen dem Kündigungspaket noch zustimmen. Doch VW besteht auf Einsparungen von über 200 Millionen Dollar jährlich – das Kündigungspaket bringt jedoch nur 25 Prozent davon. Deshalb wird über weitere Kürzungen noch immer verhandelt.

Im Großraum São Paulo lag die Arbeitlosenquote bei 16,6 Prozent im November, 1.4 Millionen Leute ohne Job – für Januar erwarten Experten sogar 22 Prozent.

Im Vergleich zu den geradezu archaisch-frühkapitalistischen Zuständen in Nichtmultibetrieben Brasiliens geht es bei VW, wie selbst die Arbeiterpastorale der katholischen Kirche anmerkt, direkt „paradiesisch“ zu. Wer jetzt bei VW „freiwillig“ kündigt, hat rund 20.000 Dollar Entschädigung sicher – für brasilianische Verhältnisse eine erkleckliche Summe. Wer „normal“ entlassen wird, bekommt maximal für fünf Monate Arbeitslosengeld, zusammen 1.500 Mark. Patricia Sholl