Oppositionsführer in Seoul vorn

Kim Dae Jung erhält über 40 Prozent der Stimmen. Kandidat der Regierungspartei gesteht Niederlage ein. Zukunft Süd-Koreas wird so oder so vom IWF bestimmt  ■ Aus Seoul André Kunz

Bei den Präsidentenwahlen in Süd-Korea hat der Kandidat der regierenden Nationalpartei, Lee Hoi Chan, seine Niederlage eingeräumt. „Wir gratulieren Kim und hoffen, er werde Süd-Korea aus der Krise und zur Wiedervereinigung führen“, sagte Lees Sprecher. Die Partei akzeptiere das Votum der Bevölkerung und werde versuchen, sich in Zukunft mit einem neuen Gesicht zu präsentieren. Nach der Auszählung von gut der Hälfte der Stimmen liegt Kim laut Fernsehberichten mit etwas über 40 Prozent der Stimmen vor Lee mit 38,7 Prozent.

Die Wahlbeteiligung war mit 79,8 Prozent etwas niedriger als vor fünf Jahren. Wahlberechtigt waren 32,2 Millionen Südkoreaner. Amtsinhaber Kim Young Sam durfte laut Verfassung nicht mehr kandidieren. Beobachter werten das knappe Ergebnis als Zeichen, daß die Wähler beiden Kandidaten nicht recht zutrauen, das Land aus der größten Wirtschaftskrise seit 40 Jahren herausführen zu können. Denn weder Kim noch Lee Hoi Chang hatten in ihrem Wahlkampf konkrete Konzepte vorgelegt, wie sie die Wirtschafts- und Finanzkrise bekämpfen wollen. Noch vor zwei Monaten war die Volkswirtschaft Süd-Koreas die elftgrößte der Welt. Inzwischen ist sie auf den 17. Platz abgerutscht. Ungeachtet des neuen Präsidenten wird die künftige Wirtschaftspolitik maßgeblich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bestimmt.

Mit dem IWF war Anfang Dezember das größte Hilfspaket in der Geschichte des Fonds im Umfang von 57 Milliarden US-Dollar vereinbart worden. Im Gegenzug muß das Land harte Auflagen erfüllen: Das Wirtschaftswachstum muß um vier Prozent verlangsamt werden. Zugleich stehen Steuer- und Zinserhöhungen ins Haus. Es droht ein Anstieg der Arbeitslosigkeit von 2,5 auf 10 Prozent.

Für die Wirtschaft ist entscheidend, wie der neue Präsident mit dem IWF zusammenarbeitet. Bereits vor den Wahlen mußten die Kandidaten den harten IWF-Bedingungen zustimmen. Doch der bisherige Oppositionspolitiker Kim muckte vergangene Woche auf und verursachte mit seiner Forderung nach Nachverhandlungen kurzfristig einen neuen Crash an den Finanzmärkten.

Gewinnt Kim in seinem vierten Anlauf die Wahl, wäre er der erste Präsident des Landes, der aus der Opposition stammt und nicht dem seit 1948 regierenden Establishment angehört. Sein Kampf für die Demokratie kostete ihm zweimal fast das Leben und brachte ihn mehrere Jahre ins Gefängnis. Kims Gegner, der Richter Lee Hoi Chang, galt als Saubermann. Kurz vor der Wahl geriet er jedoch ins Zwielicht, weil seine Söhne keinen Militärdienst leisten mußten.