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Funkstille zwischen Zagreb und Den Haag

■ Kroatiens Regierung kritisiert Aktion gegen Kriegsverbrecher

Wien (taz) – Bosnische Kroaten haben gestern gegen die Festnahme zweier Landsleute demonstriert, die wegen Kriegsverbrechen vom Haager Tribunal angeklagt sind. Soldaten der SFOR hätten erregte bosnische Kroaten daran gehindert, zum Haus des einen verhafteten Mannes im Dorf Ahmici zu marschieren, berichtete ein Fotograf. Mit dieser Festnahme haben sich auch die Beziehungen zwischen dem UNO-Tribunal in Den Haag und der kroatischen Regierung in Zagreb wieder verschlechtert. In ersten Kommentaren sprach Radio Zagreb von „unverhältnismäßigen Mitteln“ zur Festnahme „angeblicher Verbrecher“ – als wäre es auch diplomatischer gegangen. Doch das ist nicht der Fall.

Wann immer Zagreb konnte, blockierte es die Arbeit des UNO- Tribunals, verweigerte internationalen Ermittlern Akteneinsicht und hielt sich mit Auskünften über den Aufenthaltsort mutmaßlicher Kriegsverbrecher bedeckt. Selbst auf heimische Medienberichte, denen zufolge kroatische Folterer und Massenmörder aus der bosnischen Herzegowina im Mutterland Kroatien eine neue Existenz aufbauen konnten, reagierte das offizielle Zagreb nicht.

Im vergangenen Frühjahr sah sich das Haager Gericht dann dazu veranlaßt, eine Subpoena [Vorladung; Anm. d. Red.] gegen Kroatien zu verfügen und auch Verteidigungsminister Gojko Susak zwangsweise vorzuladen. Vor allem die Chefanklägerin Louise Arbour wollte mit dieser Maßnahme, die nach amerikanischer, nicht aber europäischer Rechtsauffassung möglich ist, dem Tribunal mehr Macht einräumen. Die Republik Kroatien klagte im Juli in Den Haag gegen diese Verfügung und bekam recht. Internationale Rechtsexperten schlossen sich der europäischen Lehre an, wonach eine Subpoena nur gegen private Personen verhängt werden kann.

Arbour wurde aufgefordert, an Zagreb lediglich „orders“ (Anweisungen) und „requests“ (Aufforderungen) zu richten und eine Antwort abzuwarten. Falls diese ausbliebe, solle sie sich an den UNO-Sicherheitsrat wenden, der dann über mögliche Sanktionen gegen Kroatien entscheiden werde. Möglicherweise zählte die jetzige Festnahme zu den sogenannten anderen Schritten der SFOR-Truppen. Karl Gersuny

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