„Schurkenstaat“ gelobt Besserung

■ Teheran will Fatwa gegen Salman Rushdie aufheben

Der iranische Präsident Chatami hat eine außenpolitische Offensive gestartet, die das Gesicht der Islamischen Republik völlig verändern wird. Auf der Islamkonferenz in Teheran hat er seinen Glaubensbrüdern deutlich gemacht, daß er mit ihnen und vor allem mit seinen Nachbarn eine normale Beziehung anstrebt. Kaum war diese Konferenz beendet, hat der neue Staatspräsident beinahe feierlich verkündet, er wolle öffentlich zu einem Dialog zwischen dem Iran und Amerika aufrufen und demnächst eine Rede an das amerikanische Volk halten. Jetzt sagt sein Kulturminister Mohadscherani der britischen Tageszeitung Independent, die Teheraner Regierung werde schriftlich versichern, daß man Salman Rushdie nicht nach dem Leben trachte.

Zwischen dieser Ankündigung und der Fatwa Khomeinis liegen Welten. Eindeutiger können die Signale nicht sein, die der neue Präsident sendet. Im Landesinneren werden sie gehört, von den Freunden ebenso wie von den Gegnern. Die überwiegende Mehrheit der Iraner würde sich freuen, wenn endlich eine Normalisierung mit der Außenwelt zustande käme und der Iran nicht mehr als „Schurkenstaat“ bezeichnet und behandelt würde. Chatami weiß, daß die Gefahr für seine außenpolitische Offensive nicht von der Mehrheit der eigenen Bevölkerung ausgeht. Aber die radikale Minderheit wird alles daransetzen, damit Chatami scheitert.

Verblüffend ist, wie überheblich die Adressaten Chatamis im Ausland reagieren. Man muß sich die widersprüchliche, fast irreale Situation vor Augen führen: Während in der westlichen Welt heftig über den „Clash of Civilisations“ debattiert und allzuoft gemäß dieser Ideologie gehandelt wird, taucht ein Mullah in der Islamischen Republik auf, der den Dialog der Kulturen auf seine Fahne schreibt und trotzdem oder gerade deshalb die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich schart.

Die lauwarme Reaktion der amerikanischen Administration gegenüber Chatami zeigt, daß die USA den Iran nie richtig verstanden haben. Die Bedingungen Washingtons gegenüber Teheran – zusammengefaßt in den Stichworten Terrorismus, Fundamentalismus und Nahost-Friedensprozeß – sind unglaubwürdig, wenn man bedenkt, wie wohlgesonnen sich die USA gegenüber den Taliban in Afghanistan oder dem Regime in Saudi-Arabien verhalten. Ali Sadrzadeh

Rundfunkjournalist beim HR in Frankfurt/Main