Hoffnung tür Tschechiens NS-Opfer

Einigung bei deutsch-tschechischem Zukunftsfonds erzielt: Mitglieder des Verwaltungsrats sollen im Januar bestimmt werden. Individuelle Opferhilfen noch ungeklärt  ■ Von Christian Semler

Berlin (taz) – Passend zur „Frohen Botschaft“ ließ gestern Regierungssprecher Herbert Schmülling in Bonn verlauten, daß am kommenden Montag die Regierungen Tschechiens und Deutschlands Noten austauschen würden, „mit denen die Errichtung des deutsch- tschechischen Zukunftsfonds und des deutsch-tschechischen Gesprächsforums geregelt werden“. Damit zeigte die deutsche Seite Einsicht, daß Eile geboten ist. Denn der „Zukunftsfonds“ soll hauptsächlich den betagten Opfern der Naziokkupation von 1939 bis 1945 helfen, jenen jetzt 8.000 Überlebenden, die täglich weniger werden.

Es besteht auch Übereinstimmung, daß der Verwaltungsrat der geplanten Stiftung, paritätisch zusammengesetzt aus je vier Vertretern der tschechischen und deutschen Seite, noch im Januar nächsten Jahres berufen werden wird. Um die Besetzung dieses Gremiums hatte es in den vergangenen Wochen unerquicklichen Streit gegeben. Seitens des Bundeskanzlers war der Sudetendeutschen Landsmannschaft die Zusage gegeben worden, zwei ihrer Verteter könnten in dem Gremium Platz nehmen. Im Gespräch waren die ehemals bzw. heute noch aktiven Funktionäre Gabert und Wittmann. Insbesondere gegen Wittmann, den Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, gab es tschechische Vorbehalte. Wittmann habe gegen die tschechisch-deutsche „Gemeinsame Erklärung“, die die Rechtsgrundlage für den „Zukunftsfonds“ bildet, Stellung genommen: eine schlechte Voraussetzung.

Entscheidend aber war, daß Verbandsvertreter, bei denen es sich um potentielle Nutznießer des „Zukunftsfonds“ handle, gar nicht berufen werden können. Denn das tschechische Stiftungsgesetz vom Herbst dieses Jahres untersage die Mitgliedschaft solcher (juristischer oder natürlicher) Personen in den Stiftungsgremien. Und das tschechische Recht ist hier bindend, da der Fonds bzw. die Stiftung in Tschechien arbeiten werden. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft hatte Ansprüche an den Fonds angemeldet. Sie gehörte deshalb nach Meinung der tschechischen Seite ebenso wie unmittelbare Vertreter der tschechischen Opferverbände zum Kreis der aus dem Verwaltungsrat der Stiftung Ausgeschlossenen.

Auch die gestrige Einigung brachte in dieser Frage keine Klarheit, da die deutsche Seite diese „Ausschlußbestimmung“ anders interpretiert, nämlich als Verhaltensnorm bei Fällen, wo die Unabhängigkeit eines Verwaltungsrats- Mitglieds mit seiner Funktion als Interessenvertreter kollidiert. Tschechien hat klargemacht, daß sie gegen Sudetendeutsche im Verwaltungsrat prinzipiell nichts einzuwenden hat. Mit etwas gutem Willen, so gewöhnlich gut informierte Kreise, ließe sich im Januar ein Kompromiß erzielen, etwas mittels „indirekter“ Vertretungen.

Bleibt die Frage individueller Zuwendungen aus dem Fonds an die Opfer der Okkupation. Die „Erklärung“ spricht nur von der Förderung von „Projekten“. Präsident Havel hat vorgeschlagen, eine Sozialstelle im Fonds einzurichten, die aus dem Stiftungsvermögen von insgesamt 165 Millionen Mark bedürftigen Einzelpersonen Hilfe leistet. Es gibt Hoffnung, daß die Stiftung sich bei solchen Anträgen human verhalten und die „Erklärung“ flexibel interpretieren wird.