: Die Angst des Flußpferds „Nante“ vor dem Gang zum Zahnarzt war mehr als berechtigt
■ Aufsteiger und Absteiger, Abtaucher und Querschläger, Umsteiger und Aufreißer: Die taz präsentiert die Menschen, Tiere, Sensationen des Jahres 1997. Justizsenatorin Peschel-Gutzeit flüchtete aus dem Krampf der Großen Koalition ins rot-grüne Hamburg, Nante kam in den Nilpferd-Himmel, Christiane Paul baut erfolgreich an der Baustelle des Lebens, und der „Urbanit“ rutschte auf die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Banker Wolfgang Steinriede mußte Karriereknick hinnehmen, Schriftsteller Gyögy Konrád überraschte als echter Ostwestpräsident, und Jürgen Röber blieb überraschend Übungsleiter.
Der Aufsteiger: René Kollo
Opernfans würden sagen, er habe besser gesungen als gemanagt. Auch wenn man über die Tenorqualitäten geteilter Meinung sein kann. Über René Kollos Auftritt am Metropol-Theater als Intendant der „leichten Muse“ steht 1997 fest: Es war ein Reinfall, ein Flop, ein Desaster. Als er im Herbst seinen Rücktritt einreichte, stand das Haus vor dem Konkurs, 380 Mitarbeiter bangen seither um ihre Jobs, und mit Operette in der Stadt geht es seither weiter bergab. Dennoch bleibt Kollo ein Aufsteiger des Jahres. Denn wer es schafft, dem Land Berlin beim Thema Theater den Vogel zu zeigen, ist ein Glückspilz. Denn dort herrschen Intrigen, Mißgunst und Neid. Der Rücktrittsentscheidung Kollos ging ein langer Streit mit der Kulturverwaltung voraus, hatte die doch entschieden, den Etat des Hauses von 34 Millionen Mark auf 25 Millionen Mark jährlich einzudampfen. Da wollte Kollo nicht mehr mitsingen. Vorhang! rola
Der Quereinsteiger: György Konrád
Für die zerstrittene Akademie der Künste war er als neuer Präsident die Idealbesetzung: bedeutender Schriftsteller, bis 1993 Chef des Internationalen PEN, demokratischer Oppositioneller im kommunistischen Ungarn und 1991 Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels. Zum Aufsteiger des Jahres gehört Akademiepräsident György Konrád deshalb, weil er den von Zerwürfnissen und Austritten begleiteten Zusammenschluß der Akademien Ost und West 1997 in Angriff nahm. Er hat sich nicht allein als der große Integrator profiliert, sondern fordert neue Konzepte für die verknöcherte Institution. Diskurs, Einmischung, Meinung sind angesagt. Zum Bau des Holocaust-Mahnmals etwa hat Konrád unbequem gesagt, was Sache ist: So nicht! rola
Der Abstiegsaufsteiger: Jürgen Röber
Für Jürgen Röber war das Jahr 1997 das Jahr des Aufstiegs im Kampf gegen den eigenen Abstieg. Daß er ihn letztendlich gewonnen und der Vorstand ihn nicht „von der Bank“ geholt hat, macht den Hertha-Trainer zum Aufsteiger. Gerade aufgestiegen, gerade ein paar neue Stars im Team, gerade mit Supersponsor Ufa und Manager Dieter Hoeneß munitioniert und von den Medien in die Champions Leage geschrieben, ging alles daneben. Den Start der Hinrunde verpatzte Röber total – ganze fünf Punkte sammelte die Hertha bis zum 12. Spiel, Röber saß auf der Abstiegsbank. Rauswurf drohte, Freunde gab es keine mehr, Verletzungspech und die Blutgrätsche der Boulevardblätter kamen dazu. Und dann – „das Schicksalsspiel“ gegen den KSC. Drei Angriffe reichten, und seither macht Röber sportlehrermäßig alles wieder richtig: Er und sein Team legen eine Serie hin und gewinnen, die Hütte ist voll, und zwei läppische Niederlagen hat man ihm schon in der 91. Minute wieder verziehen. Der Erfolg hat drei Buchstaben: Tor! rola
Die Absteigerin: Ingrid Stahmer
Eine farblose Senatorin ist sie: Ingrid Stahmer hat in diesem Jahr wie schon im letzten Jahr keine nennenswerten Akzente in der Schul- und Jugendpolitik gesetzt. Sparzwänge hin oder her, nicht einmal hat sie in den monatelangen Haushaltsdebatten klare Prioriäten gesetzt, welche Politikfelder für ihre Verwaltung und für die Stadt zukünftig von Bedeutung sein werden. Und dann ausgerechnet dort am massivsten gekürzt, wo am innovativsten gearbeitet wird: bei den Kinder- und Schülerläden der freien Träger. Über 25 Millionen müssen diese einsparen, für viele bedeutet das das Aus.
Um wenigstens ab und zu einmal progressiv zu wirken, verwundert Stahmer die Öffentlichkeit mit Vorschlägen, die so gar nicht umgesetzt werden können. Zum Beispiel fordert sie Englischunterricht schon ab der 3. Klasse. Doch zusätzliche Gelder sollen dafür nicht lockergemacht werden.
Auch in ihrer Partei ist Stahmer, die als SPD-Spitzenkandidatin bei der letzten Wahl im Herbst 1995 das schlechteste Ergebnis für die SPD (23,6 Prozent) erzielte, mittlerweile umstritten. So kündigte Fraktionschef Böger im Juli in einer Presseerklärung an, die SPD werde 1998 eine rigorose Verkleinerung von Stahmers Sportverwaltung durchsetzen. Die freiwerdenden Mittel könnten dann vom Landessportbund und den Bezirken effektiver und preiswerter verwendet werden. In den Bezirken bestehe „eine viel größere Sachkenntnis und Problemnähe“. Geht es um mögliche Senatsumbildungen, wird meistens auch über Senatorin Stahmer gemunkelt. Stahmer, die vor dem Flop als Spitzenkandidatin Sozialsenatorin war, mag ihren Job nicht besonders, sie betreibt ihre Arbeit, als ob es ein ungeliebtes Kind wäre. nau
Der Absaufer: Der Eisenbahntunnel
Gerne demonstrierte Hany Azer, Chef der Eisenbahntunnel-Baustelle am Gleisdreieck, das „schon in der Antike erprobte Bauverfahren“ anhand eines kleinen Experiments. Der Bauingenieur, dem Journalisten den Ehrentitel „die ägyptische Wühlmaus“ verliehen, stülpte einen Plastikbecher mit der Öffnung nach unten in eine mit Wasser gefüllte Teekanne aus Glas. Da Luft Wasser verdrängt, blieb das Innere des Bechers regelmäßig trocken. Nicht so der reale Tunnel, der über der Erde gebaut und dann langsam versenkt wird. Am 9. Juli brach eine unterirdische Betonwand unter dem Druck des Grundwassers. Um zu verhindern, daß das Wasser das ganze Tunnelsegment in Stücke riß, fiel den Baufirmen nur eines ein: Sie fluteten die unterirdische Halle. Abgesoffen liegt die Baustelle jetzt noch immer still. Aus der optimistisch angenommenen Verzögerung von drei Wochen wurden inzwischen fünf Monate. Wann die Bauarbeiten weitergehen, ist ungeklärt. Alles ist schwieriger als im Experiment. Koch
Die Durchdrückerin: Christa Thoben
Die Frau im Hintergrund war immer vorn. Völlig gleich, ob ihr Minister wieder mal nur heiße Luft abließ oder herumjettete zwischen Prenzlauer Berg und Bonn – die Fakten blieben, die Tatsachen waren geschaffen. Christa Thoben, Staatssekretärin beim Umzugsbeauftragten und Bauminister Klaus Töpfer, bleibt die wahre Macherin des Umzugs. Sie hat das Konzept für die Wohnungen der Bundesbediensteten entwickelt, Thoben hält Kontakt zur Architektenschaft und den Investoren in der Stadt. Während man sie in Bonn durchaus als Absteigerin bezeichnen würde, hat nicht nur die direkte, sachliche und bestimmte Art des Umzugsmanagements sie in Berlin zur Aufsteigerin werden lassen. Denn ab Januar 1998, unter dem neuen, unerfahrenen CSU-Bundesbauminister Eduard Oswald, rückt Thoben mit ihrer Kompetenz als Umzugsfrau noch weiter nach oben. Von einer „Umzugsbremse“ war, seit sie den Job macht, immer weniger die Rede. rola
Umsteiger des Jahres: Der Nahverkehr
Die Lage des größten deutschen Nahverkehrsunternehmens, der BVG, hat sich weiter verschärft. Fahrgastzahlen, Einnahmen und Subventionen befinden sich im Sinkflug: Von 3,08 Millionen Kunden im Jahr 1994 ist die Zahl 1996 auf 2,73 Mio. zurückgegangen. Die BVG erwirtschaftete ein Minus von 1,2 Milliarden Mark, das vom Senat nur mit 921 Millionen gedeckt wird; 314 Millionen im Jahr muß die BVG irgendwie selbst aufbringen. Und ab 2000 soll der Landeszuschuß um noch einmal 200 Millionen Mark sinken. Im März führte die BVG die neuen „Fairpreise“ ein, die eine Erhöhung um bis zu 30 Prozent bedeuteten.
Die S-Bahn steigerte 1996 ihre Fahrgastzahl auf täglich 900.000 und liegt seitdem mit der BVG im Clinch über die Aufteilung der Einnahmen aus den Ticketverkäufen – eine Einigung ist nicht in Sicht.
Die aber ist dringend nötig, wenn es mit dem angekündigten Tarifverbund zum neuen Jahr etwas werden soll. Nach ewigem Parteiengezänk wurde ein neuer Geschäftsführer für den Verbund gefunden, doch intern geht man längst von einem Start frühestens im März statt wie geplant im Januar aus.
Es drohen neue Preiserhöhungen und ein „Wabenwirrwarr“ um die Tarifgebiete.
1997 brachte zwei Straßenbahn- Erweiterungen an der Friedrichstraße und im Wedding.
Der S-Bahnhof Jungfernheide wurde eröffnet, die Lücke im Südring zwischen Neukölln und Treptow geschlossen. Gleichzeitig erklärte Verkehrssenator Klemann (CDU) den Ausbau der Busspuren für beendet und legte die Beschleunigung der Tramlinien auf Eis.
Und das wirklich große Geld wurde wieder einmal verbuddelt: Baubeginn für die 140 Millionen teure und kaum gebrauchte U-Bahn in Pankow, 370 Millionen für den toten Tunnelstutzen der Kanzler-U-Bahn am Reichstag.
Die Tram durch die Leipziger Straße soll nach dem Willen von BVG und Verkehrsverwaltung statt für 100 Millionen oberirdisch für 625 Millionen unterirdisch fahren. bpo
Der Absteiger: Die „Urbaniten“
Es war einmal, da erhob Karl Schlögel, Alt-68er und auch sonst Historiker, das Wort und sprach vom neuen Stadtbürger und der Bürgerstadt: „Die größte Sehenswürdigkeit, die man derzeit in östlichen Städten bestaunen kann, ist das Ende der Stadt als staatliche Veranstaltung und die Wiedergeburt der Bürgerstadt“, erklärte Schlögel im Brustton der Überzeugung bei der Präsentation des Masterplans. „Der Markt suchte sich den Ort und die Gebäude, die es gab – nur zweckentfremdet und auf ihre ursprüngliche Nutzung wartend. Banken, zu Museen geworden, wurden wieder Banken. Pelzgeschäfte, die man zu Fischläden umfunktioniert hatte, wurden wieder Pelzgeschäfte.“
Damit nicht genug. Weil der Begriff des neuen Stadtbürgers wohl allzusehr an den ungeliebten alten erinnert, mußte ein neues Wort her. „Urbanit“ hieß also fortan jener „Stadtbürger mit Handy und Laptop“ (Stimmann), der zweimal im Jahr nach Mallorca fliegt und deshalb kein städtisches Grün braucht. Allein, der Urbanit, er wollte auch 1997 nicht kommen. Nicht einmal nach Mitte. Fast schon möchte man glauben, als sei das urbane Gestirn am Himmel der Berliner Bürgerwünsche schon beim Eintritt in die Berliner Atmosphäre kurzerhand verglüht. Pech für Karl Schlögel: Unweit der Ackerhalle schloß vor kurzem ein Fischgeschäft. Statt eines Pelzladens, wie es sich der Urbanitenforscher Schlögel so sehr gewünscht hätte, zog freilich ein Imbiß in das Ladengeschäft. Sein Name: Multi- Kulti. wera
Die Aufsteigerin: Christiane Paul
Als Christiane Paul als Vera in „Das Leben ist eine Baustelle“ von der Polizei durch die Straßen Kreuzbergs und dann in die Arme von Jürgen Vogel stolperte, war klar, daß diese Frau noch eine große Karriere vor sich hat. Als Schauspielerin oder als Ärztin. Bereits 1996 wurde die 24jährige mit dem Max-Ophüls-Preis für die beste Nachwuchsschauspielerin in dem Film „Ex“ und mit dem Bayerischen Filmpreis für die Rolle der Rhoda in „Workaholic“ ausgezeichnet. In diesem Jahr spielte sie in diversen Fernsehproduktionen mit, u.a. in „Zucker für die Bestie“ und „Der Pirat“, hat gerade einen Thriller für den WDR abgedreht.
Paul wirkt nicht nur in ihren Filmrollen authentisch, sondern auch im wahren Leben: Sie will nämlich nicht nur schauspielern, sondern auch studieren. Seit 1992 paukt sie in den Drehpausen hochkonzentriert Medizin an der Humboldt-Uni. Paul möchte sich einmal auf Orthopädie spezialisieren, genauso wie ihr Vater. Ob sie dann noch weiter Filme dreht, weiß sie noch nicht genau, den Doktortitel will sie auf jeden Fall machen.
Beim Film ist Paul, die in Pankow wohnt, eher zufällig gelandet. Weil ihre Mitschüler sie wegen ihres Aussehens gehänselt hatten (als Kind hatte sie eine Zahnspange und Brille), bewarb sie sich als 16jährige bei einer Mißwahl. Dort wurde sie von einer Modelagentur „entdeckt“, die ihr wiederum zu der ersten Filmrolle verhalf.
Nach dem Erfolgsjahr 97 ist jetzt aber erst einmal Lernen angesagt: Paul möchte in Kürze ihr zweites Staatsexamen machen. Ohne Ablenkung – einen Freund und einen Fernseher hat sie nicht. Ihre Agentin: „Christiane ist ein ernsthaftes Mädchen.“ nau
Der Absteiger: Wolfgang Steinriede
Der Karriereknick des ehemaligen Vorstandes der Bankgesellschaft Berlin war ein sehr abrupter. Seit 1994 wurde er als der vorausschauende Manager gefeiert, der die Landesbank, die Hypothekenbank und die Berliner Bank zum Konzern Bankgesellschaft AG verschmolzen hatte. Im nachhinein mutet dieser Siegeszug an wie der Ausspruch desjenigen, der aus dem zwölften Stock eines Hochhauses stürzt, im freien Fall am ersten Stockwerk vorbeikommt und sagt: „Bis hierher ist alles gutgegangen.“ Ende 1996 wurde nämlich bekannt, daß die Bank rund zwei Milliarden Mark fauler Kredite als mögliche Verluste abschreiben mußte. So verlor Steinriede nach dem Verlust seines Vorstandsamtes im Februar dieses Jahres auch noch den Sitz im Aufsichtsrat der Berliner Bank an seinen Nachfolger Wolfgang Rupf. Einmal meldete sich der Exbankier noch zurück: Er schlug dem Senat vor, alle ungenutzten landeseigenen Grundstücke auf einen Schlag am Immobilienmarkt zu plazieren, um den Haushalt zu sanieren. „Ökonomisches Harakiri“, meinten Ökonomen dazu. Seitdem ist Steinriede völlig out. koch
Der Aufsteiger: Neukölln
„Endstation Neukölln“ titelte 1997 ein bekanntes deutsches Nachrichtenmagazin und fand in der „Berliner Bronx“ einen Alltag vor, in dem es vor peitschenden Schüssen, Räuberpistolen, „Arabisch-Einkaufen“ und Pitbull-Terror nur so knallte und krachte.
Alles Lüge. Neukölln ist nicht Endstation. Nein. In Neukölln liegt die Berliner Zukunft! Beispiel Urbanität: Welcher Bezirk kann schon von sich sagen, viereinhalb Boulevards sein eigen nennen zu dürfen? Davon dreieinhalb absolut gleichwertige, weil sich die Karl-Marx-Straße, die Sonnenallee, die Hermannstraße und der Kottbusser Damm (Ost) in nichts nachstehen. Und zum Kindl-Boulevard kommt man mit dem Auto direkt von der Tiefgarage über einen Aufzug. Das ist nicht nur urban, sondern auch praktisch! Beispiel Kriminalität: Acht von zehn Jugendlichen sind noch nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ganz anders in Zehlendorf. Dort nehmen die Kinder die ortstypischen Delikte wie Steuerhinterziehung, Korruption und „Berlinisch- Einkaufen“ schon mit der Muttermilch auf. Beispiel Bürgersinn: Während in Prenzlauer Berg immer mehr Touristen leere Bierflaschen auf Autodächer stellen, stellen in Neukölln immer mehr Bürger nicht nur zu Weihnachten Lichtlein in ihre Fenster. So viel Engagement gegen Ausländerfeindlichkeit gibt es anderswo nicht. Deswegen wollen auch immer mehr Aufsteiger nach Neukölln. wera
Der Abtaucher: Flußpferd Nante
Die Angst vor dem Zahnarzt ist berechtigt: Tödlich endete für den heißgeliebten Dickhäuter „Nante“ im November im Zoo der Besuch des Dentalveterinärs: Bei der Narkose des Flußpferdes für eine „unumgängliche Zahnoperation“ versagte das Herz des Tieres. Nante habe seit längerer Zeit gekränkelt, mit einer Virusinfektion gekämpft und an Gewicht verloren, lautete das ärztliche Bulletin. Der Flußpferdbulle war 1980 als Sohn des legendären Mauerberlin-Maskottchen „Knautschke“ und seiner Gemahlin „Bulette“ im Zoo geboren worden und hatte selbst für zahlreichen Nachwuchs gesorgt. Erst in diesem Jahr hatten die Flußpferde ihr wunderschönes neues Haus mit Nilnachbildung bezogen. Die Tierglotzerei der BerlinerInnen ist ungebrochen: Zoo und Tierpark verzeichnen jährlich vier Millionen Besucher, absolut und pro Kopf weit mehr als in anderen deutschen und europäischen Großstädten, erklärten die Betreiber. Die Gründe für die tierische Anhänglichkeit blieben im dunkeln. bpo
Die Aufsteigerin: Lore Peschel-Gutzeit
Anfang des Jahres sah es nicht gerade so aus, als ob Lore Maria Peschel-Gutzeit zu den AufsteigerInnen gehören würde. Der geachtete sozialdemokratische Import aus Hamburg stand als Justizsenatorin unter erheblichem öffentlichem Rechtfertigungsdruck: Für die Planungen für den neuen Großflughafen Berlin-Schönefeld zeichnete auch die Aufsichtsratsvorsitzende der Projektplanungsgesellschaft Schönefeld (PPS), eben Peschel- Gutzeit, verantwortlich. Für die Projektplanung jedoch verfaßte eine Firma ein Gutachten, deren Geschäftsführer mit dem Peschel- Gutzeit-Sohn Rolf eine weitere Firma führte. Der Vorwurf des Filzes wurde laut, da eine klare Trennung zwischen beiden Firmen sehr zweifelhaft wurde. Aber die Justizsenatorin blieb stur, wies alle Vorwürfe von sich und saß den Konflikt aus. Die Justizpolitikerin der Bündnisgrünen, Renate Künast, kündigte im Rahmen einer Parlamentsdebatte zu den Filzvorwürfen an: „Das war sicher nicht das letzte Mal, daß wir darüber sprechen.“
Da hatte sich Künast getäuscht. Und Peschel-Gutzeit hat wieder Grund genug, zu lächeln. Sie hat die Geschichte hinter sich gelassen und spaziert zudem nun nicht mehr an der häßlichen Spree, sondern flaniert um die Binnenalster in Hamburg. Justizsenatorin darf die energische Sozialdemokratin mit dem ausgeprägten Sitzfleisch bleiben. Doch statt sich weiterhin in einer Großen Koalition abzuquälen – in der Filz zur Routine gehört –, hat sie sich kopfüber in rot-grüne Experimente in ihrer Heimatstadt gestürzt. Barbara Junge
Der Querschläger: Klaus von Krosigk
Wenn es rührige Gartendenkmalpfleger wie Klaus von Krosigk ganz genau nehmen, bleibt in der Stadt kein Stein mehr auf dem anderen, geschweige denn ein Auge trocken. Da hatte sich im Herbst Amtschef von Krosigk mit einem Metermaß aufgemacht und die Breite der Straße Unter den Linden ausgemessen – und Fürchterliches festgestellt: Der Bürgersteig auf der nördlichen Lindenseite ist geringfügig breiter als noch vor dem Krieg, nämlich knapp 50 Zentimeter. Damit ist die Mitte der Linden nicht mehr die Mitte und die mittige Flucht eine verschobene. Skandal. War das die Stasi? Also planten von Krosigk und mit ihm Stadtentwicklungssenator Peter Strieder den Radikalumbau der Straße. Stück für Stück sollte erst der Bürgersteig ein wenig enger werden, dann die erste Baumreihe fallen und neu aufgeforstet werden. Nicht anders sollte es den Bäumen in der Mitte gehen, die peu à peu gefällt werden und ein paar Zentimenter daneben wieder wachsen sollten. Um das Ganze zu demonstrieren, hat Strieders Gartendenkmalamt schon mal im Vorgriff auf das Jahrhundertprojekt auf 150 Meter Länge für 400.000 Mark zwei – unterschiedlich breite – Rasenstücke an den Linden verlegt, die asymmetrisch die wahre Symmetrie darstellen. Dem Verkehrssenator und seiner Baudirektorin geht das zuweit. Die mittige Flucht empfinde niemand, außer wohl von Krosigk, daneben, polterten sie. Die Linden seien o.k. Und das Brandenburger Tor verrutsche auch nicht aus der Achse, stehe man auf den schiefen Linden. Seither stehen sich die Verwaltungen wie die beiden bekannten Ziegenböcke auf der Brücke gegenüber. Keiner will den andere vorbeilassen, schon gar nicht auf der superbreiten geraden Allee. rola
Aufsteiger: Die Pendler
Mit Flüchtlingen ist das so eine Sache. Eigentlich hat man nichts gegen sie, die Bürgerkriegsflüchtlinge, Armutsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, aber auch nichts für sie. Vielleicht liegt das auch am Begriff. Wer traut schon einem, der auf der Flucht ist und sich nicht stellt. Deshalb wurde 1997 aus dem Stadtflüchtling der Pendler. Aufsteiger bleibt er aber in jedem Fall. Wer sich ein Einfamilienreihenhaus samt Einliegerwohnung und überdachtem Pkw-Stellplatz im Umland leisten kann, ist schließlich kein Absteiger! Ganz so weit hat es der ehemalige Baustadtrat in Prenzlauer Berg, Matthias Klipp, nicht gebracht. Zwar ließ auch Klipp bauen. Aber nicht im Landkreis Barnim, wo es die meisten Prenzlauer-Berg-Pendler hinzieht, sondern in der Einfamilienhaus- Siedlung am Fuße des Volksparks Prenzlauer Berg. wera
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