Kein Huhn soll den Tag überleben

■ Heute werden in Hongkong 1,2 Millionen Hühner geschlachtet, um die Vogel-Grippe auszurotten. Vier Menschen sind daran bereits gestorben. Importstopp für Geflügel vom Festland

Berlin (taz) – Hongkongs 1,2 Millionen Hühner werden das neue Jahr nicht erleben. Die Regierung hat für heute ihre Schlachtung angeordnet. Mit der Tötung sämtlicher Hühner soll der Erreger der Vogel-Grippe ausgerottet werden. Der Virus hat schon etwa 20 Menschen befallen; bis zum Wochenende waren vier von ihnen gestorben. Die Tierhalter sollen entschädigt werden, versprach die Regierung. Die Kadaver würden im Rahmen eines Landgewinnungsprojekts vergraben.

Der Geflügelmarkt Cheung Sha Wan, auf dem normalerweise ein Drittel der täglich 75.000 vom chinesischen Festland nach Hongkong importierten Hühner verkauft wird, wurde bereits Mittwoch geschlossen. Das Gelände wird von Arbeitern mit Schutzmasken sterilisiert. Ein Einfuhrverbot soll etwa eine Woche lang gelten. Bis dahin soll ein Schnelltest für Hühner entwickelt werden, mit dem ihre Unbedenklichkeit nachgewiesen werden kann. Hongkong deckt normalerweise drei Viertel seines Hühnerbedarfs aus der chinesischen Provinz Guandong.

Der Verkauf von Hühnerfleisch ist in Hongkong aus Angst vor Ansteckung um 70 Prozent zurückgegangen. Der Preis für Suppenhühner fiel von 12 auf 3 Hongkong Dollar. Zum Weihnachstfest und den vorangegangenen Feierlichkeiten zur Sonnenwende verzichteten viele auf die sonst übliche Hühnchenkost. Unter der Schlagzeile „Tapfere Familie verspeiste Huhn“ berichtete die South China Morning Post von einer Feier, bei der sich eine Hongkonger Familie mit Freunden von der Seuche nicht irritieren ließ. Auch in der benachbarten chinesischen Stadt Shenzhen ging der Verkauf von Hühnchenfleisch drastisch zurück.

Nach Auskunft der Behörden ist der Verzehr von gekochtem Hühnerfleisch jedoch völlig ungefährlich. Abgeraten wurde schon seit Tagen vom direkten Kontakt mit Vögeln. Zoohändler klagen, daß besorgte Eltern die Kleintiere ihrer Kinder zurückgeben, darunter sogar Schildkröten.

Seit Wochenbeginn verfügen in der Stadt 15 Labore über die Möglichkeit zu Schnelltests der Bevölkerung. Dort kann innerhalb von 24 Stunden eine Infektion festgestellt werden. Der Andrang zu den freiwilligen Tests, die immerhin rund 90 Mark kosten, ist groß.

Der ohnehin durch die jüngste Wirtschaftskrise in Asien gebeutelten Tourismusbranche Hongkongs drohen durch die Grippe weitere Verluste. Taiwans Behörden forderten Reisende auf, den Aufenthalt an öffentlichen Plätzen einzuschränken und den Kontakt mit Vögeln zu meiden. Hongkongs bei Touristen beliebter Vogelmarkt wirkt inzwischen wie ausgestorben. Sven Hansen