Aborigines wollen Meer

Australiens Regierung will dagegen die traditonellen Nutzungs- und Landrechte der Ureinwohner einschränken  ■ Von Margret Carstens

Berlin (taz) – Australische Ureinwohner haben Ansprüche auf Teile der Küste und des Meeres angemeldet. Die Aborigines wollten das Besitzrecht für 120 Gebiete, unter anderem das berühmte Great Barrier Reef, teilte gestern in der Hauptstadt Canberra der Gerichtshof mit, der über Besitzrechte der Aborigines befindet. Weiter beanspruchten Aborigines unter anderem Gewässer vor den Touristenzentren Byron Bay, Jervis Bay und Gold Coast sowie ein über 3.000 Quadratkilometer großes fischreiches Gebiet um Croker Island, 250 Kilometer nordöstlich der Stadt Darwin.

Erst 1994 wurden die erweiterten Besitzansprüche der Ureinwohner mit dem nationalen Landrechtsgesetz anerkannt. Um Seegebiete gab es dagegen noch keinen Rechtsstreit. Die Fischereibranche hat erklärt, der Zugang zu Fischbeständen könnte gefährdet werden, wenn die Ureinwohner den ausschließlichen Besitzanspruch auf Meeresgebiete erhielten. Ein Sprecher der Aborigines beteuerte gegenüber der Zeitung Sydney Morning Herald, die Ureinwohner wollten den kommerziellen Fischfang nicht verbieten. Sie wollten nur eine Anerkennung ihrer Rechte. Der Gerichtshof für territoriale Besitzrechte der Aborigines teilte mit, er habe mehrere der jüngsten Fälle an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet. Eine erste Entscheidung könnte es schon im Februar geben.

Die Forderungen der Aborigines könnten den Streit um die Landrechtsfrage weiter zuspitzen. Die national-liberale Regierung von Premier John Howard will ihrerseits die Landrechte der Aborigines mit dem sogenannten Wik- Gesetz drastisch einschränken. Bisher scheiterte sie damit allerdings am Widerstand des Senats.

Mit dem Gesetz will die Regierung eine Gerichtsentscheidung zugunsten der Aborigines aushebeln. Die Wik und Thayorre, Aboriginesgemeinden aus dem Bundesstaat Queensland, hatten 1996 erfolgreich auf ihren traditionellen Nutzungs- und Zugangsrechten in zwölf Viehweidepachtgebieten bestanden. Sie wollten damit auch Bergbauaktivitäten verhindern und befürchteten den Verlust ihrer Kultur, die eng mit dem Land verflochten ist. Der Oberste Gerichtshof entschied, die Landrechte der Aborigines könnten neben den Rechten der Pächter bestehen und seien nicht zwangsläufig erloschen. Industrie- und Bauernverbände sprachen von „politischer Justiz“ und einer Überschreitung richterlicher Kompetenzen.

Zwar gehen laut Urteil die Rechte der Viehweidepächter im Streitfall letztlich jenen der Ureinwohner vor. Doch Landwirtschafts- und Bergbaulobby forderten Änderungen zu ihren Gunsten. Das Wik-Gesetz soll eine „faire Basis für alle Beteiligten“ bringen, betont die Regierung. Mit Protesten macht dagegen die Viertelmillion der Aborigines und ihrer Sympathisanten auf die Unzulänglichkeiten und Diskriminierungen des Gesetzes aufmerksam.

Teile des Regierungsvorschlags werden von Fachleuten der australischen Rechtsreformkommission gar als Verfassungsverstoß gewertet. So sollen Landansprüche nach sechs Jahren verjähren. Rechte der Aborigines bei geänderter wirtschaftlicher Nutzung ihres traditionellen Landes wie für den Tourismus sollen eingeschränkt und Zugangsrechte begrenzt werden. Den Bundesstaaten würde freigestellt, die Rechte der Ureinwohner auf Viehweidepachtland aufzuheben.

Australiens Ureinwohner protestieren seit Wochen mit Aktionen wie 100.000 Handabdrücken von Aborigines vor dem Parlament in Canberra. Sie sehen den Streit als Fortsetzung ihres politischen Kampfes. Erst 1967 erhielten sie die Bürgerrechte. 1992 wurden dann nach 204 Jahren australischer Kolonialgeschichte höchstrichterlich Eigentumsrechte von Eingeborenen am traditionell genutzten Land anerkannt. Damit wurde Australien nicht mehr als vor der westlichen Besiedlung „unbewohntes“ Land angesehen.

Die Landrechtsfrage spaltet die australische Nation. Seit Wochen streiten Regierung und Opposition über das Wik-Gesetz. Der Senat, in dem die Regierung auf unabhängige Stimmen angewiesen ist, besteht auf Änderungen des Gesetzes und lehnt insbesondere die sechsjährige Verjährungsfrist für Landansprüche der Aborigines ab. „Die Frist führt nicht nur zu neuen Gerichtsverfahren, sondern beleidigt auch Titelinhaber der Aborigines“, meint der unabhängige Senator Brian Harradine.

Nach der Senatsablehnung Anfang Dezember wurde das Wik- Gesetz mit der Regierungsmehrheit im Unterhaus erneut verabschiedet und liegt jetzt wieder beim Senat. Sollte er auf Änderungen bestehen, bleiben dem Premier nur die Parlamentsauflösung und baldige Neuwahlen. Dann ist eine wahre „Schlammschlacht“ um Aboriginesrechte mit rassistischen Äußerungen wie von der rechtspopulistischen Politikerin Pauline Hanson zu befürchten.