"Rosa Sitzung" in den roten Zahlen

■ Helmut Sohnle, Vorstandsmitglied einer der größten Aids-Hilfen Deutschlands, war wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten in die Kritik geraten. Als Spendengelder für die Aids-Hilfe verschwanden, mußte er z

Köln (taz) – Helmut Sohnle ist einer der „Kölner Köpfe“. Sein Porträt ist – neben dem von Willi Millowitsch, Alfred Biolek und anderen – Bestandteil eines Kunstwerks im U-Bahnhof Appellhofplatz. Zum Thema „Kölscher Klüngel“ war Sohnle noch in diesem Sommer nach Berlin geladen worden, um an den Feierlichkeiten zu „100 Jahre Schwulenbewegung“ teilzunehmen. Nach einem Intermezzo bei „Boulevard Bio“ betreibt Sohnle inzwischen eine Veranstaltungsagentur. 1995 initiierte er Deutschlands ersten schwul-lesbischen Karneval, die „Rosa Sitzung“. Zur Premiere sah Sitzungspräsidentin Hella von Sinnen einen „historischen Moment“ gekommen, als sie im Beisein von Ehrengast Alice Schwarzer die Sitzung eröffnete. Kölner wissen, daß Karneval mindestens so viel mit Geld wie mit Spaß zu tun hat. Fünf Mark pro Eintrittskarte sollten deshalb an die Aids-Hilfe Köln gespendet werden. Eine leichte Übung, so glaubten viele, denn Organisator Sohnle war ja ein Vorstandsmitglied der Aids-Hilfe.

Das Publikum ahnte jedoch nicht, daß die „Rosa Sitzung“ tief in die roten Zahlen rutschen würde. Es entstand ein Defizit von 60.000 Mark – obwohl der WDR bereits im zweiten Jahr in einer Sondersendung die Höhepunkte des närrischen Treibens sendete und für die Senderechte 75.000 Mark bezahlte. „Der Helmut hatte da ein bißchen den Überblick verloren“, erklärt Reiner Büchel, Geschäftspartner Sohnles und Mitbesitzer des Veranstaltungsortes Gloria Theater. Da das Gloria, bekannt als Kulisse für den Erfolgsfilm „Der bewegte Mann“, auf die Berechnung verschiedener Leistungen verzichtete, konnte der Fehlbetrag um etwa die Hälfte gesenkt werden. „Wir mußten da noch Erfahrungen sammeln“, verteidigt sich Sohnle. „Keiner hat sich dafür interessiert, daß ich auch privat in der Kreide gestanden und auf meine Honorare verzichtet habe.“

Die von Sohnle fest zugesagten 21.000 Mark Spendengelder für die Aids-Hilfe ließen unterdessen auf sich warten. Erst nachdem die Geschäftsführung der Aids-Hilfe bei ihrem Vorstandsmitglied offiziell nachfragte, ging die Summe mit einem halben Jahr Verspätung ein. Konsequenz aus dem Fiasko war, daß bei der „Rosa Sitzung“ 1997 neu kalkuliert und auf eine Spende an die Aids-Hilfe von vornherein verzichtet wurde. Trotz massiver interner Kritik galt Sohnle öffentlich nach wie vor als der Mann, der über seine Kontakte zu Prominenten „viele Spendengelder reinholt“.

Als ein Kölner Stadtmagazin erneuten Gerüchten über fehlgeleitete Spendengelder nachging, reagierte die Aids-Hilfe und nahm eine Revision ihrer Finanzbuchhaltung vor. Die dabei aufgetretenen „Unregelmäßigkeiten“ zwangen Sohnle zum Rücktritt, wurden aber gegenüber der Öffentlichkeit zunächst zurückgehalten. Weder Tageszeitungen noch die überregionalen Schwulenzeitschriften hakten weiter nach. Genaue Gründe für den Rücktritt Sohnles wurden erst jetzt auf der jährlichen Mitgliederversammlung der Aids-Hilfe bekanntgegeben: Sohnle hatte auf einer Benefizveranstaltung im April 1996 vor Publikum eine 10.000-Mark-Spende in bar entgegengenommen. Der Verbleib der Spende und eines weiteren Betrages in Höhe von 4.600 Mark, die Sohnle von der Aids- Hilfe zur Begleichung einer Rechnung ausgezahlt wurde, ist bis heute ungeklärt.

Die Aids-Hilfe hat die Beträge nun eingefordert. Sohnle signalisierte über seinen Anwalt, er wolle die Forderungen begleichen und zahlte einen Teilbetrag. Er selbst möchte sich zu den Vorgängen nicht äußern. Thomas F. Kramer