Rund 20.000 gemeinnützige Organisationen konkurrieren um die zehn Milliarden Mark, die die Deutschen jedes Jahr für soziale Zwecke, Katastrophen- und Entwicklungshilfe spenden. Erfolg hat da nur, wer ganz konkrete Projekte vorweisen kann un

Gut gemeint, aber schlecht gemacht ist die Spenderwerbung der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Auf dem Faltblatt sind zwei Engel abgebildet, die ein Tuch hochhalten mit der Aufschrift: „Da war doch noch was“. Einmal umgefaltet, erfährt der Leser: „Mehmet ist verschwunden“, noch einmal umgeschlagen: „Jasmina sitzt in Abschiebehaft“, ein letztes Mal gefaltet: „Und Deutschland sitzt unterm Weihnachtsbaum“. Darunter dann die Zahlkarte für eine Spende. Das Faltblatt erzeugt Schuldgefühle, die Beispiele sind abstrakt, und über die Erfolge von Pro Asyl erfährt der Leser nichts: Das fördert nicht gerade die Spenderlaune. Diese aber muß gepflegt werden – durch wirksames Fundraising, denn inzwischen konkurrieren in Deutschland rund 20.000 gemeinnützige Organisationen, Gruppen und Fördervereine um Spenden.

Wer das Herz des Spenders gewinnt, kriegt auch sein Geld. Im Medienzeitalter schafft das für die international operierenden Organisationen ein Problem: Die Förderer geben am ehesten Geld für medial vermittelte Not- oder Einzelfälle. Das beschert das gewisse gute Spendergefühl im Bauch.

„Ich sehe mehrere Tendenzen“, sagt Rolf Schneiderreit, Sozialmarketingexperte in Köln, „jene Organisationen fahren gut, die Patenschaften für Kinder, für Projekte anbieten. Auch die Katastrophenhilfe bekommt Millionen, weil deren Aufgabe ja das unmittelbare Eingreifen ist.“ Immer schwieriger hingegen würde es für die Gemeinnützigen, Dauermitglieder zu werben, die möglichst noch eine Einzugsermächtigung erteilen. Wenn die Leute nur an der Abbuchung merken, daß sie eine humanitäre Organisation unterstützen, „dann sinkt die Motivation“.

Direktspenden für Ruanda, für das überflutete Odergebiet, aber auch eine Patenschaft für ein Kind in Uganda: das sind milde Gaben, die sich sofort mit konkreten Bildern verbinden lassen. Und daher die Spenderlaune fördern.

„Es entspricht mehr und mehr der Spenderintention, auch das Projekt festzulegen, für das sie etwas geben wollen“, stellt Oliver Müller, Sprecher von Caritas International, fest. „Der Anteil der zweckungebundenen Spenden war früher höher.“ „Zweckgebunden“ bedeutet jedoch oft nichts anderes, als daß die Unterstützer Geld für jene Katastrophen geben, die gerade im Fernsehen zu sehen sind. Auf eins zu zwanzig bis eins zu fünfzig schätzt Müller das Verhältnis der Wirbelstürme, Überschwemmungen und Lawinen, die es ins Fernsehen schaffen zu jenen, bei denen ohne Kamerahilfe nur ein paar hunderttausend Mark an die Hilfsbedürftigen fließen.

„Wenn in Südchile ein Sturm 150 Hütten zerstört, erfährt das hier niemand“, so Müller. Die Partnerorganisation in Chile allerdings klopft bei der Caritas an und ersucht um Beistand. Diese Hilfsgelder kommen dann aus dem zweckungebundenen allgemeinen Spendentopf, der deswegen „besonders wertvolles Geld“ ist.

Doch die Vorstellung vieler Förderer, möglichst schnell und konkret zu helfen, geht an der Realität vorbei. Wie der Buchautor Horand Knaup beschreibt, geben die wenigsten Organisationen zu, daß sie aus den großen Spendenaktionen beispielsweise zu Ruanda erhebliche Rücklagen gebildet haben. Sie wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, das Geld zu bunkern und nicht zweckgemäß eingesetzt zu haben. Dabei sind diese Rücklagen notwendig, um noch Jahre später Aufbauhilfe zu leisten. Dann nämlich, wenn die Fernsehkameras längst abgezogen sind und das Land immer noch in Schutt und Asche liegt.

Langwierige Aufbauhilfe läßt sich an SpenderInnen jedoch nur mühsam verkaufen. „Der Spender will davon überzeugt sein, daß die Organisation aus seinem Geld einen großen Hebel mach“, so Schneiderreit. Daher sind besonders die Patenschaftsprojekte der Kindernothilfe und von world vision erfolgreich. Denn sie versprechen diesen „großen Hebel“ für ein Einzelschicksal. 60 Mark im Monat kostet eine solche Patenschaft, dafür gibt es regelmäßig Briefe eines betreuten Kindes.

Doch dieses Bild der konkreten Hilfe trügt. Würden mit den Patenschaftsgeldern tatsächlich einzelne Kinder gefördert, wäre die soziale Struktur eines Dorfes schnell durch Neid und Mißgunst zerstört. „Das Geld fließt immer in das ganze Projekt“, schildert Gunhild Aiyub von der Kindernothilfe. In einem Dorf gibt es stets mehrere Patenschaften, von dem Geld werden die Schule, aber auch Arbeitsprojekte finanziert.

Das von den Spendern erwünschte konkrete Projekt kann auch zu unseriösen Spendensammlungen führen, weiß Christoph Müllerleile, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialmarketing (BSM). Wenn etwa eine Organisation 100.000 Werbebriefe rausschicke mit der Bitte, für ein bestimmtes indisches Waisenhaus zu spenden und dann im Kleingedruckten stünde, der Überschuß wandere in den allgemeinen Topf. Die paar tausend Mark für das Waisenhaus sind schnell zusammen, mit dem konkreten Projekt wird letztlich nur eine größere allgemeine Spende akquiriert.

Eine Dauermitgliedschaft mit hohem Beitrag und Bankeinzugsermächtigung: das sind die Traumspender. Die Vereinigungen von Caritas International bis zum Deutschen Rotem Kreuz arbeiten daran, diese Dauerspender zu halten. „Die Organisationen machen eine Spenderanalyse, nach A-, B-, und C-Spendern“, erläutert Schneiderreit. Je nach Höhe der Spende fallen die Förderer dann in eine entsprechende Betreuungskategorie bis hin zur Komfortklasse mit besonderen Briefen, Telefonanrufen und auf Wunsch auch Hausbesuchen.

Bloße Abbuchungen vom Konto, das erinnert zu sehr an die stetig wachsenden Sozialabgaben, die die Kassen und der Staat einfordern. Und genau dieses Gefühl von Zwang, von Fremdbestimmtheit, so betonen Fundraiser, das darf einem Spender auf keinen Fall vermittelt werden. Barbara Dribbusch