Konfuses Kuddelmuddel in der Kaffee-Bar

■ König verklügelt Goldonis „Kaffeehaus“Wieder Alltag am Bremer Theater:

Da hat sich unser Theater aber beeilt. Pünktlich zur letzten Premiere des abgelaufenen Jahres schon den Februar-Spielplan fertiggestellt und darin den Hymnus der aktuellen Ausgabe des Schauspiel-Fachblatts „Theater heute“auszugsweise abgedruckt. Allein die wohlblickende, wohlmeinende „Theater heute“-Fachfrau ist wieder abgereist aus der lebendigen Bühnenprovinz. Es ist wieder Alltag am Bremer Theater. Alltag mit Goldonis „Kaffeehaus“und einer nämlichen Inszenierung in Verantwortung Herbert Königs.

Jeder Morgen ist ein Morgen danach. Langsam deshalb belebt sich die 1950er-Jahre-Hafenbar-Szenerie (Bühne: Franz Koppendorfer) mit dem Personal einer 1750er-Jahre-Spieler-Komigödie. Vor einem Vierteljahrtausend machte Carlo Goldoni in seinem „Kaffeehaus“Stärken und vor allem Schwächen von Bürgersleuten für das Theater urbar, heute aber hat das Stück das Zeug zum Zähfluß, auch wenn Marion Winters hier benutzte neue Übersetzung Worte wie „Knast“oder „zocken“in die Vorlage einschleust.

Herbert König, der am hiesigen Schauspiel schon Büchners „Leonce und Lena“knöchern einstudierte, mag den Zähfluß aber ganz offenbar und hat in pausenlosen einhundert Minuten mit einem Kuddelmuddel aus Naturalismus, Groteske und Verfremdeln so eine Art Versuch über das Inszenieren ausgeklügelt.

Zärtlich geradezu tätschelt der gute Wirt (Sebastian Dominik) anfangs die echte Jukebox, die für eine Münze die besten Hits der 60er Jahre plus Sinéad O'Conner abspielt. Hochhackig auf Plateau gesellt sich die Serviererin (Vera Lippisch) hinzu, und es hat den Anschein, als würden beide ein lockeres Parlando beginnen. Doch schon bremst der Spielleiter Herbert König das Tempo und hält die öffentliche Zubereitung von Espresso für interessanter. Tasse für Tasse belebt sich die Bühne mit den männlichen Betrügern und den weiblichen Betrogenen, bis in diesem Kaffeehaus Tschechow-Figuren und Brecht-Typen, Knatterchargen und Charaktermenschen wimmeln.

Auffällig ausgelotet sind dabei die Frauengestalten, augenfällig platt dagegen die Männer, von denen einige Chargen spielen und andere es versuchen. Ja, ja, diese Kerle in ihren Chicago-Anzügen (Kostüme: Beatrice von Bomhard), sie baggern dumpf und jedes Wort, das ihnen über die Lippen kommt, ist allein ein Wort zum Warentausch. Am Goldoni macht Herbert König (endlich!) den Geschlechterwiderspruch fest.

So quetscht sich Heiko Senst als falscher Graf ganz furchtbar cool die Worte zwischen den Zähnen hindurch, während Katrin Heller als Tänzerin melancholische Grandezza ausstrahlen darf und kann. So mimt Thomas Ziesch als Spieler Eugenio ein Jüngelchen, das einen Macho mimt, während Gabriela Maria Schmeide ganz rührend und doch ganz stark an seiner Untreue leiden darf. Allein Irene Kleinschmidt als Placida stellt sich gegen das schale Regiekonzept: Halb verführerisch, halb Hilflosigkeit vortäuschend ist sie unter den Spielern die einzige echte Spielerin und zaubert bei jedem Auftritt Hochspannung auf die Bühne.

Zu retten ist die Inszenierung dadurch jedoch nicht mehr. Und auch die Schlußszene, in der alle in einem Sündenbock-Motiv über den geschwätzigen Intriganten Don Marzio (Uwe Kramer) herfallen und Herbert König urplötzlich assoziatives Bildertheater macht, entschädigt nicht für die ärgerlich verlorene Zeit.

Liebes, ansonsten hochgeschätztes Theater: Laß Konstanze Lauterbach, Andrej Woron, Christina Friedrich und Co wieder und weiter im Schauspiel zaubern, dann zeigen wir „Theater heute“vielleicht, was ein echter Hymnus ist. Das Premierenpublikum sah es offenbar ganz anders und spendete überaus freundlichen Beifall.

Christoph Köster

Weitere Aufführungen: 10. und 23. Januar um 20 Uhr im Schauspielhaus