Reicher Riese

Der Besucher hatte ein klares Anliegen: Er wollte Geld. Als Kasachstans Präsident Nursultan Nasarbajew Ende November in Bonn vorbeischaute, warb er vor allem um Investitionen. Diese Bitte erschien Nasarbajews Gastgebern – Bundespräsident Roman Herzog und Bundeskanzler Helmut Kohl – attraktiv.

An Bodenschätzen gemessen, ist Kasachstan eines der reichsten Länder der Welt. 2,1 Milliarden Tonnen Erdöl sollen unter der Erde des zentralasiatischen Riesenreiches liegen. Hinzu kommen 1,7 Billionen Kubikmeter Erdgas und 700 Millionen Tonnen Gaskondensat. Außerdem gibt es dort Mineralerze, Edelmetalle, Kohle, Mangan und Chrom. Dennoch macht deutsches Geld in dem Land seit dessen Unabhängigkeit von der Sowjetunion nur 1,2 Prozent der gesamten ausländischen Direktinvestitionen aus.

Die USA waren da schneller: Bereits 1994 hatte US-Präsident Bill Clinton das Gebiet rund um das Kaspische Meer zur „strategisch wichtigen“ Region und Rußland bei der Ausbeutung der dortigen Ressourcen zum Rivalen erklärt. In den Büros von US- Ölfirmen hängen Landkarten des Gebiets an den Wänden, voller gestrichelter Linien – mögliche künftige Pipelines. Aber auch andere Weltmächte haben längst ein Auge auf die kasachischen Rohstoffreserven geworfen. Im vergangenen Jahr unterzeichneten staatliche chinesische Ölfirmen Kontrakte über die Ausbeutung von zwei der größten kasachischen Ölfelder und einen 3,5 Milliarden US-Dollar schweren Vertrag über den Bau einer Ölleitung von Kasachstan nach China.

Diese Geschäfte finden in einer Einöde statt. Mit einer Fläche von 2,717 Millionen Quadratkilometern ist Kasachstan fast achtmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Aber während in Deutschland im Durchschnitt 223 Bewohner einen Quadratkilometer bevölkern, sind es in Kasachstan nur sechs. Kasachstan hat 17 Millionen Einwohner. Weite Teile des Landes sind Steppe.

In Bonn verwies Nasarbajew auf umfassende wirtschaftliche und politische Reformen unter seiner Regentschaft und eine „angepaßte Modernisierung“ des Landes. Das ist nicht die ganze Wahrheit. Ausländische Unternehmer beklagen noch immer „undurchsichtige Zollbestimmungen“ und „unkorrekte Behandlung“. Regieren tut der Präsident, der den Sprung vom sowjetischen Sozialisten und KP- Chef zum gemäßigten kasachischen Nationalisten überstand, das Land in einer Form, die gern als „Politik der harten Hand“ bezeichnet wird. 1995 ließ er sein Mandat in einem zweifelhaften Referendum bis zum Jahr 2000 verlängern.

Aus Protest dagegen verbrannten im Dezember 1996 Demonstranten in Almaty Spruchbänder, auf denen sie Pressefreiheit und Demokratie forderten. Im Alleingang verordnete der Präsident den im Dezember vollzogenen Umzug der Regierung von dem grünen Almaty (zu Sowjetzeiten Alma-Ata genannt) in die 1.000 Kilometer entfernte und im Winter mit Temperaturen von minus 30 Grad gesegnete Kleinstadt Akmola (zu deutsch: Weißes Grab). Begründung: Die Traditionshauptstadt Almaty liege zu nahe an der chinesischen Grenze.