Nach drei Stunden beginnt der Endspurt

■ Gespräch mit der Langstreckenschwimmerin Peggy Büchse, die nächste Woche geraume Zeit im australischen Ozean bei Perth verbringen wird. Vor den Weltmeisterschaften träumt sie nicht nur von gefräßigen

taz: Was sagt Ihnen der Name Brian Sierakowski?

Peggy Büchse: Moment mal, ist das nicht der Typ, der um ein Haar von einem weißen Hai angeknabbert worden wäre?

Stimmt. Und zwar genau dort, wo Sie am Mittwoch 5 und am Sonntag 25 Kilometer schwimmen müssen: vor der Küste von Perth in Australien nämlich.

Oh ja. Es soll dort kürzlich sogar zwei Shark-Attacks gegeben haben. Daran mußte ich in den letzten Tagen öfters denken. Stellen Sie sich vor, ich habe sogar schon von einem Hai geträumt.

So eine Weltmeisterschaft im Langstreckenschwimmen muß für einen Hai ja 'ne prima Sache sein. So 'ne Art Buffet.

Ja, ja, Sie haben gut Witze machen. Aber ich muß da drin schwimmen. Ich glaube, daß das ein ganz schön komisches Gefühl wird, und kann nur hoffen, daß die Organisation die Sache im Griff hat. Ich meine, wenn das lebensgefährlich wäre, würden die uns da hoffentlich nicht schwimmen lassen.

Was passiert denn sonst so im Wasser? Sie sind ja lange unterwegs, einmal rund eine, das andere mal gut fünfeinhalb Stunden.

Erst mal stellt man sich auf die Bedingungen ein. Man schaut, wie das Wasser ist, ob warm, ob kalt, ob Wellen da sind und so weiter. Ich bin immer ganz auf den Wettkampf konzentriert. Über 25 Kilometer lege ich mir eine Strategie zurecht und teile mir das Rennen in ein paar Abschnitte ein. In der ersten Stunde schaue ich, wie ich mich fühle, und schwimme mit dem Feld mit, danach versuche ich mich ein wenig abzusetzen, und nach drei Stunden beginnt dann ja fast schon wieder der Endspurt. Da gibt man dann noch mal alles.

Und Ihnen wird nicht langweilig?

Nö. Am bisher längsten unterwegs war ich bei einem Wettkampf letztes Jahr in Atlantic City, der ging über zehneinhalb Stunden. Und die längste Strecke, die ich bisher geschwommen bin, waren 88 Kilometer in einem Fluß in Argentinien, der allerdings eine recht starke Strömung hatte.

Die 5 Kilometer sind für Sie dann wohl ein Sprint?

Ja. Das ist sogar ein schrecklicher Sprint, weil man vom ersten Meter an voll powern muß. Außerdem geht es da so hektisch zu.

Ihr Trainer hat es besser. Der fährt im Boot nebenher und schaut zu.

Jeder hat ein Boot dabei mit seinem Trainer. Meiner schreibt mir Infos auf eine Tafel; meine Frequenz zum Beispiel oder wie weit ich vorne liege oder hinten. Manchmal schreibt er auch „Super“ oder so was drauf, um mir Mut zu machen. Und dann ist ja alle 20 Minuten Trinken angesagt. Natürlich kann es auch zur Qual werden, aber bei meinen bisherigen Rennen war das noch nicht so der Fall.

Eigentlich ist die Sache ja ungerecht. Sie schwimmen viel länger und sind doch viel weniger bekannt als beispielsweise Franziska van Almsick, die mit ihrem Sport auch noch eine ganze Menge Geld verdient.

Sicherlich, ungerecht ist es schon irgendwo. Aber ich denke da immer positiv. Als ich noch im Becken geschwommen bin, hat mich ja auch niemand gekannt. Jetzt bin ich zumindest regional schon ziemlich bekannt und auch in Deutschland ein bißchen. Ich verdiene zwar nicht die dicke Kohle, aber immerhin mehr, als ich als Beckenschwimmerin verdient habe. Vielleicht wird es ja besser, wenn ich die WM gut schwimme.

Was wäre gut?

Bei der WM vor drei Jahren bin ich Siebte geworden über 25 Kilometer. Gut wäre, wenn ich diese Plazierung verbessern könnte. Sehr gut und phantastisch wäre es, wenn ich – das ist mein geheimes Ziel – auf einer der beiden Strecken eine Medaille holen könnte. Aber wie gesagt, da kann immer sehr viel passieren.

Wie trainiert man Langstreckenschwimmen in Deutschland?

Hauptsächlich in der Schwimmhalle, im 50-Meter-Becken also. Bei uns ist es ja meistens zu kalt, um draußen trainieren zu können. In der Regel bin ich dort jeden Tag zweimal, außer sonntags, der ist normalerweise frei. Der Rest ist trainingsphasenabhängig. Manchmal sind es 100 Kilometer pro Woche, meistens aber, vor allem während des Semesters, so 50 bis 60 Kilometer.

Wird man mit der Zeit nicht doof, wenn man immer nur im Becken hin- und herschwimmt?

Das geht schon. Wir wechseln ja auch mal die Schwimmart. Aber wenn wir im Becken schwimmen, dann schalte ich schon öfter mal ab. Da kann ich dann auch so ein bißchen über mein Leben philosophieren.

Warum tun Sie sich all das an? Angefangen habe ich, weil ich austesten wollte, wie sehr ich meinen Körper über einen längeren Zeitraum belasten kann. Und natürlich, wie ich das psychisch durchstehe. Ob meine Willenskraft stark genug ist, um solche Strecken bewältigen zu können. Was ich während eines Rennens durchlebe, das kann so hart sein, daß schon das Ankommen für mich ein Erfolg ist, ganz egal, wie schnell ich war.

Das alles hört sich ein bißchen verrückt an.

Klar, um eine Sache übermäßig lange ausführen zu können, muß man immer verrückt sein. Für mich ist ein Typ, der acht Stunden am Tag am Computer sitzt, auch verrückt. Und der wird sagen: Die schwimmt acht Stunden, die ist verrückt.

Mit dem Unterschied, daß es im Computer keine Haie gibt.

Da haben Sie allerdings recht. Interview: Frank Ketterer