Bio-Bäcker schlagen Alarm

Industrielle Verarbeitung von Bio-Getreide drückt die Preise und gefährdet kleine Bäckereien  ■ Von Ludger Fittkau

Der aktuelle Preisverfall des Bio-Getreides gefährdet die Existenz heimischer Bauern und verarbeitender Handwerksbetriebe. „Wenn das so weiterläuft, gehen die kleinen Verarbeiter kaputt“, prognostiziert Bernd Göbel, Teilnehmer einer internationalen Konferenz im nordhessischen Witzenhausen, die sich mit aktuellen Entwicklungen im ökologischen Landbau beschäftigte. Der Grund für die drängenden Sorgen im Öko-Handwerksbereich: Großbetriebe drücken die Preise der Verarbeitung von Bio-Getreide.

Bernd Göbel ist Geschäftsführer der Göttinger Vollkornbäckerei „Das Backhaus“. Ihr Getreide bezieht die Bäckerei von sechs Bio-Bauern des Umlands. Die Bauern bekommen von den Bäckern seit langem den Garantiepreis von 90 bis 100 Mark pro Doppelzentner Getreide. Doch die Preise für Öko-Weizen und -Roggen befinden sich im freien Fall: „Bioland-Bauern in Rheinland- Pfalz erzielen inzwischen nur noch 30 bis 36 Mark für einen Doppelzentner Weizen“, so Thomas Leibinger, Leiter des Geschäftsbereiches Saatgut der Bioland-Handelsgesellschaft Baden-Württemberg.

Immer mehr Getreide aus ökologischem Landbau landet nämlich zur Verarbeitung in den großen Mühlen. Diese Industriebetriebe aber kalkulieren, ohne die soziale Lage der Bauern oder die ökologische Qualität der einzelnen Sorten zu beachten. Rücksichtnahme auf die Produktionsbedingungen der Bauern war für das Göttinger „Backhaus“ bisher selbstverständlich, so Bernd Göbel: „Im handwerklichen Betrieb können wir die Qualitätsschwankungen, die beim ökologischen Getreideanbau immer mal wieder je nach Wetterlage auftreten, in der Verarbeitung durch unsere Bäckerkünste ausgleichen.“

Solche Fähigkeiten haben in der industriellen Verarbeitung keinen Platz, stellt Bioland-Manager Leibinger fest: „Dort interessiert neben dem Preis nur, daß der Eiweiß- Gehalt hoch ist und der Feuchtklebeanteil des Getreides 22 bis 25 Prozent beträgt.“ Letzterer sei ein für die maschineller Verarbeitung wichtiger Wert, der allerdings im hiesigen ökologischen Landbau nur schwer zu erzielen ist. „Und bald wird ungarischer Weizen mit einem Feuchtklebeanteil von 28 Prozent in den Öko-Bereich drängen“, ergänzt Hermann Schopferer, Gutachter im Bereich der Lebensmittelerzeugung.

Damit die heimischen Bio-Bauern trotzdem nicht auf ihrer Ernte sitzenbleiben, sind sie zunehmend bereit, das Korn immer billiger zu verkaufen. Die Mitglieder des Bioland-Anbauverbandes liefern schon mehr Weizen und Roggen an Großverarbeiter als an Bio- Bäcker. Eine industrielle Getreidemühle bewältigt in vier Tagen, wofür die sechs „Backhaus“-Bäckermeister mit viel Handarbeit ein ganzes Jahr brauchen.

Die Lage für Handwerksbetriebe im Öko-Sektor wird sich durch Bio-Billig-Importe aus Osteuropa noch zusätzlich verschärfen. Wenn nämlich immer mehr preisgünstige „Bio-Backwaren“ in Supermärkten und Kaufhäusern angeboten werden, sei nicht nur „Das Backhaus“ mit seinen gegenüber den Erzeugern gerechteren Preisen auf Dauer nicht mehr konkurrenzfähig, so Bernd Göbel.

Dem Bäckermeister, dessen bäuerliche Partnerbetriebe alle im Umkreis von 50 Kilometern um Göttingen liegen, blieb in Witzenhausen letzendlich nur noch der Appell an die Verbraucher. Diese könnten darüber entscheiden, ob sie die regionalen Strukturen stärken oder die Globalisierung und Industrialisierung der Öko-Lebensmittelmärkte absegnen. Entschieden wird die Frage im Bioladen und Supermarkt – letztlich auch am Preis.