■ Vorschlag
: Bewegte Fotografie: Martin Liebscher im Dogenhaus Projekte

So ähnlich muß es aussehen, wenn die Erde bebt: Hochhäuser wanken, und die Highways schlagen Wellen wie Papierschlangen. Alles ist in Bewegung. Und doch nicht. Denn es sind Fotos, unbewegte Bilder, auf Aluminium aufgezogen. Die Dogenhaus Projekte zeigen die neuesten Arbeiten von Martin Liebscher in der Ausstellung Groov V. Die Fotografien entstanden in Los Angeles. Hier lebt und arbeitet der blonde Künstler seit Oktober dieses Jahres mit einem Stipendium des Museums für Angewandte Kunst Wien.

Los Angeles also. Man kennt die Stadt aus Filmen, in denen die Haupthelden mit dem Auto in den Moloch einfahren. Aus eben dieser bewegten Perspektive heraus hat Liebscher seine Kamera auf alles gerichtet, was ihm vor das Objektiv kam: „Ganz schön schwierig, wenn man selbst am Steuer sitzt.“

Auf einem Bild blickt ganz rechts ein grungebärtiger, sonnenbebrillter Mann nach oben, der Meister selbst. Neben ihm sieht der Highway aus, als wäre er durch den Fleischwolf gedreht worden. Nach dem „stillen“ Einstieg geht es immer schneller zu, die Sache endet in einem Strudel, ganz links kommt eine merkwürdige Mixtur aus Farben, einem Waschanlagen-Büschel ähnlich, ins Geschehen. Auch in dem Übereckbild, gut sechs Meter lang, wollen die Häuser kippen, werden rund, verlieren ihre starren Konturen. Wie ein Wirbel, der an einen Springbrunnen erinnert, sind die Autos auf dem Freeway zusammengeballt. Die Technik, mit der Liebscher die Dinge fahrend im Bild festhält, hat etwas von einem Filmkamera- schwenk: Während der Belichtungsdauer wird der Film vorgespult. Der Apparat wandert von der einen zur anderen Seite. Manchmal haben so nur vier Bilder Platz auf einem 36er Film.

Das Resultat ist erstaunlich: Bewegte Bilder, die Vorder- und Hintergründe durcheinanderwirbeln, die scharfe und verzerrende Sequenzen, die auf- und abschwellende Belichtungsschwankungen zeigen. Mal scheinen sie Zeit und Raum schneller zu verdichten, mal dehnt sich das ganze langsamer aus. Liebscher erzählt von einem bewegten Sein – was bewegt sich, was ist unbewegt? Der 32jährige vermischt, verwischt die zeitliche, die räumliche Dimension. Bloß kein Stillstand, so ist die Welt von heute eben. Nur die Bilder selbst, die hängen bewegungslos an der Wand. Andreas Hergeth

Bis 31.1. Mi.-Fr. 14-19, Sa. 12-17 Uhr, Dogenhaus Projekte Berlin, Auguststraße 63, Mitte