■ Rom, Bonn und Ankara – das Spiel mit den kurdischen Flüchtlingen
: Lehrstück für Europa

Die Behandlung der in Italien gestrandeten kurdischen Flüchtlinge durch die EU-Regierungen zeigt eindrucksvoll, was dieses hochgelobte vereinigte Europa wirklich darstellt. Die italienische Regierung hebt zwar die humanitären und politischen Hintergründe der Massenflucht hervor, aber so richtig überzeugend ist diese Haltung nicht. Vielmehr deutet einiges darauf hin, daß Rom die Gelegenheit ergreift, den Deutschen, die sie noch immer nicht in den Euro-Club aufnehmen wollen, eins vors Schienbein zu treten. Denn im Falle der Albanien-Flüchtlinge hat die Regierung bereits gezeigt, daß ihrem Wort nicht sonderlich zu trauen ist. Trotz des Versprechens, auf gewaltsame Abschiebungen zu verzichten, wurden Hunderte gegen ihren Willen nach Albanien zurückbefördert. Gleichzeitig funktionalisiert Rom die Flüchtlinge und haut die EU wieder mal um ein paar Milliarden Ecu an.

Der Zweite im Bunde, die türkische Regierung, foltert und vertreibt die verhaßten Kurden nicht mehr nur aus ihren Heimatregionen im Südosten des Landes, sondern nutzt sie als Druck- und Drohmittel gegen Europa. Ankara führt die Doppelmoral der ach so menschenliebenden und auf christliche Werte pochenden Europäer vor, falls diese die dem Bürgerkrieg und den Massakern entronnenen Menschen wieder nach Hause schicken sollten.

Am unglaubwürdigsten bei diesem Spiel wird die Bundesrepublik – Christdemokraten wie Sozialdemokraten. Die Kurdenfrage diente ihnen zwar bislang als Argument, die Türkei von der Europäischen Union fernzuhalten; aber die Anerkennung der Kurden als politische Flüchtlinge wollen sie per Ordre di Mufti auch allen anderen Ländern verbieten. Bonn nutzt die Europäische Union, um seine eigenen zu Europas Außengrenzen zu erklären und seinen Nachbarn vorzuschreiben, wen diese in ihr Land lassen dürfen und wen nicht. Obwohl es in den Europaverträgen keine gemeinsame Regelung hinsichtlich der Behandlung von Asylanträgen gibt, fordern Betonköpfe wie CDU-Lummer und SPD-Glogowski die Aussetzung des Schengener Abkommens, nur weil die Italiener den Kurden nun politisches Asyl gewähren.

Einmal mehr wird deutlich, was sich viele deutsche Politiker unter Europa vorstellen – einen von ihnen dominierten Kontinent, in dem die anderen Länder nur als Kolonien vorkommen, die gefälligst zu tun haben, was die Germanen für nützlich halten. Verträge und Abkommen gelten vom einen Augenblick zum anderen nichts mehr, wenn der teutonische Festungswächter das so bestimmt. Ein tolles Europa, das da entsteht, fürwahr. Werner Raith