BSAG zittert vor künftiger Konkurrenz

■ EU will Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr / Deutsche Verkehrsunternehmen wollen in Brüssel Mindeststandards für Mitarbeiter und Qualität sichern

Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) bangt um ihre Existenz. Bald könnten französische Busfirmen mit viel Geld im Hintergrund den Bremern lukrative Buslinien abjagen. Bahnen könnten in schwedischer Regie durch Bremen rollen. Denn die Europäische Union (EU) hat sich zum Ziel gesetzt, nach den Märkten für Energie und Telekommunikation auch im öffentlichen Nahverkehr den internationalen Wettbewerb einziehen zu lassen. Linien oder Teile der Verkehrsnetze sollten europaweit ausgeschrieben werden, heißt es in einem EU-Grünbuch „Bürgernetz“.

Ihre Sorge um die Zukunft teilen die Bremer mit anderen deutschen kommunalen Nahverkehrsunternehmen. Sie befürchten, zu reinen Planungsabteilungen zu schrumpfen, während andere in Bussen und Bahnen von den Fahrgästen das Geld kassieren. Nach Meinung der Öffentlichen sind dann aber sowohl die soziale Sicherung der Beschäftigten als auch die Qualität des Angebots gefährdet. Ihre Vertreter zeichnen ein übles Szenario: Übermüdete, schlecht bezahlte Busfahrer lenken veraltete Fahrzeuge, die für Behinderte und Alte nicht zu erklimmen sind. Fahrgäste stehen ohne schützende Wartehäuschen im Regen, Umsteigen wird zum Glücksspiel, regionale Verkehrsverbünde zerfleddern. „Im freien Wettbewerb“, so Resch, „holen uns die Konkurrenten schon mit ihren Vorteilen bei den Lohnkosten Linie für Linie vom Markt“. Konzessionen für Buslinien gelten acht, für Bahnlinien 30 Jahre.

Um Gegenstrategien abzustimmen, trafen sich gestern Arbeitsdirektoren der großen deutschen Verkehrsbetriebe mit Wissenschaftlern zu einer Tagung in Bremen. „Bei uns ist die Alarmglocke angegangen“, sagte Gastgeber Hubert Resch, Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied der BSAG. Zwar könnten die Städte mit der Vergabe von Konzessionen enge Taktzeiten, moderne Fahrzeuge und andere Qualitätsstandards vorgeben. Aber angesichts der Haushaltsnöte würden die Kommunen im Zweifel billigere Anbieter bei der Vergabe von Konzessionen vorziehen und schlechtere Qualität in Kauf nehmen, um Subventionen zu sparen, befürchtet auch Reinhold Bauer, Arbeitsdirektor der Stuttgarter Straßenbahnen. Wenn die EU im Sommer den Rechtsrahmen für die Liberalisierung vorlegt, erwartet Bauer aus Bonn keinen Widerstand.

Nur zwei Möglichkeiten gibt es laut BSAG-Mann Resch, um das Terrain zu sichern: Man müsse weiterhin „mit den Kosten runter“, Arbeitszeiten flexibilisieren, Arbeitszeitkonten einführen und die Organisation verbessern. Und man habe den Sprung auf die Bühne des Brüsseler Lobbyismus gewagt, um einen „totalen ruinösen Wettbewerb“politisch aufzuhalten. Mit den privaten Busunternehmen, die ebenfalls mit niedrigeren Löhnen operieren, sitzen die öffentlichen in einem Boot, weil diese die internationale Konkurrenz gleichermaßen fürchten.

Der in Hamburg lehrende Europarechtler Prof. Ulrich Mückenberger rät als Instrument zum „Sozialen Dialog“zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaften auf EU-Ebene. In diesen Gesprächen vereinbarte soziale Mindeststandards müßten seit 1997 verbindlich in EU-Recht umgesetzt werden.

Doch auch innerhalb ihres europäischen Unternehmensverbandes müssen die Deutschen ihre Positionen erst durchkämpfen. So seien etwa in Frankreich für Busfahrer nur 33 Ruhestunden pro Woche Vorschrift, in Deutschland 45. Wahrscheinlich müsse man vom deutschen Niveau runter, um überhaupt „vernünftige Standards“zu sichern, glaubt BSAG-Mann Resch. Joachim Fahrun