■ Iran: Präsident Chatami wendet sich via CNN an das US-Volk
: Ein spektakulärer Auftritt

Auf den ersten Blick war es nichts Neues, was der iranische Präsdent Chatami bei seinem mit Spannung erwarteten Auftritt dem US-Volk via CNN mitzuteilen hatte. Aber nur auf den ersten Blick. Es hätte sowieso seinem Naturell widersprochen, wenn Chatami sein erstes TV-Interview benutzt hätte, um etwas vordergründig Spektakuläres in die Welt zu setzen.

Doch näher betrachtet war dieses Interview sehr spektakulär. Zunächst die Art und Weise, wie sich Chatami präsentierte: sachlich, zurückhaltend und kenntnisreich. Und das ist für die iranische Politik eine Premiere. Der iranische Präsident hat öffentlich seinen Respekt für die Unabhängigkeitserklärung der USA bekundet und sie als so etwas wie das kulturelle Erbe der Menschheit bezeichnet. Das ist durchaus spektakulär, zumal diese Respektbezeugung nicht taktisch gemeint, sondern glaubwürdig und geschichtlich-rational begründet war.

Es wäre weltfremd gewesen, von Chatamis erstem Interview im US-Fernsehen einen Durchbruch zur Normalisierung der iranisch-amerikanischen Beziehung zu erwarten. Aber auch auf dem Felde der praktischen Politik hatte Chatami etwas anzubieten: Kulturaustausch, Tourismus, wissenschaftliche Zusammenarbeit. Dieses Vorgehen ist in der Tat erfolgversprechend – und sie entspricht Chatamis Politik.

Die Iraner durften allerdings dieses Interview nicht live im eigenen TV verfolgen. Der offizielle Grund: Es sei Mitternacht gewesen, und zu dieser Zeit im Monat Ramadan sei das Volk damit beschäftigt, die erste Mahlzeit des Tages zu sich zu nehmen. Doch die Wahrheit ist, daß Chatami vom stattlichen Fernsehen des Landes mehr oder weniger boykottiert wird. Auch diese für Iran sehr wichtige Institution ist weiterhin unter Kontrolle der Konservativen. Tagelang hatten die Radikalen alles unternommen, um Chatami zu torpedieren. Sogar wenige Stunden vor der Ausstrahlung des Interviews wurde eine fingierte Umfrage veröffentlicht, der zufolge die Mehrheit der Iraner gegen normale Beziehungen zu den USA sind. Doch solche Störmanöver sind vergeblich.

Der Zug in Richtung Normalisierung der iranisch- amerikanischen Beziehung ist längst abgefahren, es geht nur noch um das Tempo. Denn die innenpolitischen Kräfteverhältnisse im Iran ebenso wie in den USA erlauben derzeit keiner Raserei. Übrigens: Auch Bill Clinton hätte viele Hindernisse im US-Senat zu überwinden, bevor er eine solche Normalisierung verkünden könnte. Ali Sadrzadeh

Redakteur beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt