Gouverneur von Chiapas tritt zurück

■ Der PRI-Mann galt Medien und Opposition in Mexiko als Drahtzieher der Gewalt. Die Zapatisten warnen vor neuen Kämpfen

Mexiko-Stadt (taz) – Gerade vier Tage nach dem mexikanischen Innenminister Emilio Chuayffet hat nun auch der Gouverneur von Chiapas, Julio César Ruiz Ferro – ebenfalls Mitglied der Staatspartei PRI – seinen Rücktritt eingereicht. Seit Wochen hatten weite Teile der mexikanischen Öffentlichkeit die Absetzung des umstrittenen Landesvaters gefordert.

Ruiz Ferro gilt als einer der politisch Verantwortlichen für die Eskalation paramilitärischer Gewalt in Chiapas. Nach Recherchen der Wochenzeitschrift Proceso sollen in der knapp dreijährigen Regierungszeit von Ruiz Ferro rund 1.500 Indigenas gewaltsam zu Tode gekommen sein. Die Landesregierung spricht von lediglich 104 gewaltsamen Todesfällen in dieser Zeit.

Politiker aller Parteien begrüßten den Rücktritt einhellig als „Zeichen der Entspannung“. Der neugewählte Regierungschef von Mexiko-Stadt, Cuauhtémoc Cárdenas bezeichnete die Entscheidung als einen „längst erwarteten Schritt“. Mitglieder seiner Partei, der linken PRD, fordern nun eine strafrechtliche Ermittlung gegen den Exgouverneur.

Empört reagierten Oppositionspolitiker allerdings auf die Tatsache, daß auch dessen Nachfolger, der 54jährige bisherige PRI-Abgeordnete Roberto Albores Guillén, wieder aus den Reihen der Regierungspartei stammt. „Das ist doch das gleiche Rezept“, entrüstete sich der PRD-Abgeordnete Pablo Gómez in einer hitzigen Parlamentsdebatte zum Thema. Und der Senator der rechtsliberalen PAN, Luis H. Alvarez, fand es „bedauerlich, daß wieder keiner das chiapanekische Volk gefragt hat“.

Albores Guillén ist der fünfte Gouverneur seit Beginn des zapatistischen Aufstands vor vier Jahren. Schon sein Vorgänger Ruiz Ferro hatte Mitte Februar 1995 sein Amt nur als Ersatzmann für den zuvor zurückgetretenen Eduardo Robledo angetreten – gewählt worden waren beide nicht.

Mitglieder der zivilen Zapatistischen Front FZLN äußerten sich in Mexiko-Stadt zufrieden über den Regierungsrücktritt. „Einen Schritt haben sie gemacht“, sagte FZLN-Sprecher Javier Elorriaga gegenüber TV-Reportern, „jetzt fehlen noch die vielen anderen Schritte“. Also die Entmilitarisierung, die Auflösung der paramilitärischen Banden sowie die Umsetzung der bisher unterzeichneten Friedensabkommen. Diesen Forderungen sollen am Montag mit einer Großdemonstration in Mexiko-Stadt Nachdruck verliehen werden.

Zugleich wird eine Abordnung von PRD-Vertretern auf Europatournee gehen. Mit Blick auf die bevorstehenden Verhandlungen um das Handelsabkommen mit der Europäischen Union, das ausdrücklich eine „Demokratie- und Menschenrechtsklausel“ vorsieht, sollen die Europaparlamentarier über die Zustände in Chiapas aufgeklärt werden.

Die werden nach Angaben des Subcomandante Marcos von der Zapatistenguerilla EZLN immer kritischer. Angesichts der Tausenden von Soldaten, die unter dem Vorsatz, Waffen zu suchen, den Bundesstaat durchkämmen, warnt Marcos vor neuen Kämpfen zwischen Armee und Guerilla. „Bisher hat die EZLN Zusammenstöße mit dem Bundesheer vermeiden können, aber wir werden weiterhin verfolgt, so daß von einem auf den anderen Moment bewaffnete Zusammenstöße zwischen unseren und den Regierungsstreitkräften möglich sind.“ Anne Huffschmid