Don Camillo darf man abhören

Kompromiß beschert den Lauschangriff: Pfarrer, Strafverteidiger und Abgeordnete dürfen nicht belauscht werden – außer sie sind kriminell. Verhandlungsmarathon  ■ Von Christian Rath

Das Nachverhandeln beim Lauschangriff hat sich für die SPD gelohnt. In einer siebenstündigen Sitzung am Dienstag abend ist es den Unterhändlern um Otto Schily und Jürgen Meyer doch noch gelungen, Pfarrer, Anwälte und Abgeordnete besser vor Polizeiwanzen zu schützen. Damit dürfte die im Bundestag erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung gesichert sein.

Wichtigster Erfolg der SPD: Gespräche mit Geistlichen (auch außerhalb des Beichtstuhls), Strafverteidigern sowie Bundes- und Landtagsabgeordneten dürfen generell nicht belauscht werden. Ausnahmen sind nur bei Pfarrern vom Schlage eines Don Camillo möglich – wenn Geistliche, Volksvertreter oder Anwälte im Verdacht stehen, selbst Verbrecher zu sein.

Justizminister Schmidt-Jortzig (FDP) hatte in seiner Verhandlungsgrundlage nur zugestanden, daß Erkenntnisse aus solchen Gesprächen nicht verwertet werden dürfen, wenn dies dem „Verhältnismäßigkeitsprinzip“ widerspreche. Das aber war heiße Luft – das Prinzip gilt qua Verfassung ohnehin für das gesamte Staatshandeln.

Am zähesten rangen die Unterhändler um einen Passus, der klarstellt, daß auch bei anderen besonders sensiblen Berufsgruppen (Ärzte, Journalisten, Drogenberater) im Einzelfall ein Lauschangriff unzulässig sein kann. „Der bayerische Innenminister Beckstein mußte ständig mit seinen Hintermännern telefonieren, ob er das noch mittragen kann“, berichtet der SPD-Abgeordnete Jürgen Meyer. Das in der Runde diskutierte Beispiel zeigt, worum es geht: „Wenn sich ein Mafioso das Bein bricht und deshalb zum Arzt geht, dann ist doch klar, daß dort nicht über kriminelle Geschäfte diskutiert wird“, so Meyer. Die Entscheidung im Einzelfall bleibt allerdings den Gerichten überlassen.

Journalisten wurde nicht der gleiche Schutz wie etwa Pfarrern zugestanden, obwohl die Presse ebenfalls im Grundgesetz besonders erwähnt wird. „Einen Presseausweis kann man sich einfach zu leicht besorgen“, begründete dies Jürgen Meyer.

Nachgebessert wurde außerdem bei der Festlegung des für die Genehmigung der Lauschaktion zuständigen Gerichts. Wie von BGH-Präsident Karlmann Geiß (SPD) vorgeschlagen, wird die Entscheidung über den Lauschangriff künftig bei den „Staatsschutzkammern“ zentralisiert. Damit müssen spezialisierte Richter über die sensible Abhörmaterie entscheiden. Pro Oberlandesgerichtsbezirk gibt es jeweils nur an einem Landgericht eine Staatsschutzkammer, (wobei diese Kammern bisher nicht als Hort besonderer Liberalität aufgefallen sind).

Hier könnte aber der ebenfalls neu eingebaute Bumerangeffekt helfen. Diesen beschreibt Meyer so: „Wenn dieselbe Kammer, die einen Lauschangriff genehmigt, hinterher auch über die Verwertbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse entscheiden muß, dann wird sie sehr sparsam mit ihren Genehmigungen umgehen, da sie andernfalls in Arbeit ertrinkt.“ Verschärft wurde auch die Mitteilungspflicht an die Betroffenen. Wenn der Abgehörte zwei Jahre nach Beendigung der Maßnahme noch nicht benachrichtigt wurde, ist diese gerichtlich zu genehmigen.

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