Lizenz zum Walzen ab 2035

Das ehemalige Fischerdorf Moorburg und seine Lebenschancen unter Rot-Grün  ■ Von Achim Fischer

Die Zukunft Moorburgs liegt vielleicht gleich um die Ecke. Flach, weit und braungrau erstreckt sich eine Mondlandschaft, dort wo vorher Moorburgs Nachbardorf Altenwerder war. Der SPD-Senat ließ das ehemalige Fischerdorf für die Hafenerweiterung entsiedeln, plattwalzen und unter einer meterhohen Sandschicht begraben. Altenwerder war potentielles Hafenerweiterungsgebiet. Moorburg ist es noch, mit Billigung der regierungsbeteiligten GAL.

In Moorburg gilt ein eigenes (Hafenentwicklungs-)Gesetz, von dem Hamburgs grüne Stadtentwickler bislang nicht viel hielten. Die Stadt behält sich vor, die Flächen zu altenwerdern – sprich: Menschen umzusiedeln, Hausbesitzer zu entschädigen, anschließend alles abzuräumen und mit viel Sand wirtschaftlich zum Container-Parkplatz aufzuwerten. Bis zum Jahr 2015 hielt sich der Senat die Lizenz zum Walzen offen. Neubauten oder Erweiterungen bestehender Häuser in Moorburg wurden verboten, um die später eventuell anstehenden Entschädigungen so gering wie möglich zu halten.

Moorburgs Einwohner blieben drei Möglichkeiten: bis zum bitteren Ende bleiben, gleich wegziehen oder darauf hoffen, daß die GAL als Koalitionspartner Moorburg aus der Klemme hilft. 21 Prozent der Moorburger Wähler stimmten bei den Senatswahlen am 21. September für die GAL. Vier Wochen später stand die Koalition. Moorburg blieb weiterhin im Hafenentwicklungsplan.

Stadtenentwick-lungssenator Willfried Maier (GAL) versuchte diese Woche in Moorburg, grüne Erfolge bei dieser Entscheidung aufzuzeigen. Seine Hauptargumente: Die Galgenfrist für das Dorf wurde bis zum Jahr 2035 verlängert. „Das Ausbluten geht für Moorburg vielleicht weiter. Das kann durchaus passieren“, gestand der Senator. „Aber wir haben den Prozeß verlängert. Darin steckt eine Chance.“Niemand, so Maiers Argumentation, könne wissen, wie sich der Hafen in den kommenden Jahren entwickelt. Je länger die Bedenkzeit für den Senat, umso höher aber kalkuliert der grüne Senator die Wahrscheinlichkeit, daß Alternativkonzepte greifen. Und umso geringer sieht er den Druck auf die Senatoren, vorsorglich die Fläche zu räumen.

Heinz Giszas, Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde, spricht auch von Chancen. Von den „Chancen der Stadt“, der „Chance auf Arbeitsplätze“, der „Chance des Hafens“. Daß nach einer Erhebung des Naturschutzbundes Deutschland in den letzten Jahren 3.000 Hafen-Arbeitsplätze vernichtet wurden, erwähnt er nicht. Dafür die 92.000 Arbeitslosen in der Stadt. Und daß „die Hafenwirtschaft mit großer Aufmerksamkeit registriert, welche Restriktionen auf sie zukommen“. Giszas war schon lange vor rot-grün Hamburgs Wirtschafts-Staatsrat. „Eines wollen wir mal klar stellen“, kann sich ein Mann im Publikum nicht mehr zurückhalten. „Wir Moorburger sind ja wohl nicht an den 92.000 Arbeitslosen in der Stadt schuld.“Nein, nein, so habe er das ja nicht gemeint, beeilt sich Giszas. Nur, daß der Hafen eben eine von Hamburgs größten Chancen sei.

Die Chancen für Moorburg überläßt Giszas Willfried Maier. „Eine offene Wette“sei die in der Koalitionsvereinbarung getroffene Regelung. Vielleicht geht sie für Moorburg, vielleicht für den Hafen aus. „Und als Wettpfand nehmen sie eintausend Menschen“, ruft eine Zuschauerin. „Das ist bitter, das gebe ich zu. Aber diese Wette gibt es schon seit den 60er Jahren ...“„Eben.“„Und die Wettbedingungen haben sich für diejenigen, die hier bleiben wollen, verbessert.“

Im Koalitionspapier haben die grünen Stadtentwickler Moorburgs neue Freiheiten definiert. Künftig sollen Neubauten zugelassen werden: für Geschäfte, für Landwirte, die sich zur Ruhe setzen, für soziale Einrichtungen. Ansonsten bleiben Neubauten verboten. Das Verbot, Häuser auszubauen, wurde gelockert. So dürfen die Bewohner jetzt neue Mietwohnungen bis zu einer Größe von 50 Quadratmeter einrichten. Und wer möchte, kann sogar sein Haus vergrößern, laut Koalitionsvertrag „durch Ausbauten an Gebäuden wie Garagen und Wintergärten von nicht mehr als 20 Quadratmetern“.

Um weitere Wünsche der Bevölkerung – eine Post, bessere Busverbindungen – erfassen zu können, soll ein Gesprächskreis eingerichtet werden, „mit wirklich allen Organisationen in Moorburg und allen Bürgern, die sich daran beteiligen möchten“, so Giszas. Die Federführung in der Runde, die über die Stadtentwicklung in Hamburgs Südwesten berät, wollte die SPD nicht dem grünen Maier überlassen. Die Wirtschaftsbehörde soll Moorburgs Chancen sichern.