Unrühmliche Geschichte holt rumänische Militärs ein

■ Demnächst werden in Temesvar zwei hochrängige Generäle vor Gericht stehen. Sie sollen während der Revolution im Dezember 1989 bei Massakern an Demonstranten mitgewirkt haben

Berlin (taz) – Acht Jahre nach der rumänischen Revolution sollen nun die für das Massaker an den Demonstranten Verantwortlichen hohen Militärs zur Rechenschaft gezogen werden. In Temesvar, wo 1989 der Aufstand gegen das Ceaușescu-Regime ausgebrochen war, werden demnächst die beiden Generäle Victor Atanasie Stanculescu und Mihai Chitac vor Gericht gestellt. Die Militärstaatsanwaltschaft wirft den Generälen vor, in Temesvar die repressiven Operationen angeordnet und mitvorbereitet zu haben.

Daß Securitate- und Milizeinheiten bei ihrem Vorgehen gegen die Demonstranten von der Armee unterstützt wurden, ist lange bekannt. So schilderte der Temesvarer Major Viorel Oancea in einem taz-Interview (vom 23.1. 1990), wie er von General Stefan Gușa verhaftet wurde, nachdem er den Schießbefehl verweigert hatte.

Erst nach der Flucht Ceaușescus am 22.Dezember 1989 schlug sich die Armee auf die Seite der Aufständischen. General Gușa koordinierte danach in Bukarest die militärischen Aktionen gegen die (Securitate-)„Terroristen“. Um seine Rolle während der Massaker in Temesvar zu vertuschen, war Gușa in den ersten Jahren nach der Revolution darauf bedacht, die Armee als makellose Institution darzustellen. Gleichzeitig schürte er, bis zu seinem Tod vor einigen Monaten, die Furcht vor der „feindlichen Einkreisung“ Rumäniens. Als Kronzeuge für die Legende von einem internationalen Komplott gegen Rumänien, behauptete Gușa, der damalige US-Präsident George Bush und der Generalsekretär der KPdSU, Michail Gorbatschow, hätten im Spätherbst 1989 während ihres Treffens auf Malta einen Plan ausgeheckt, wonach Rumänien in einen Bürgerkrieg verwickelt werden sollte. Weiter behauptet Gușa, daß er und Securitate-Chef Iulian Vlad diese „Pläne verhindert haben“ und dabei von den „Volksmassen“ unterstützt wurden.

Derartige Behauptungen wurden innenpolitisch auch von der damaligen rechten Opposition instrumentalisiert. Ex-Staatschef Ion Iliescu wurde als prosowjetischer Agent desavouiert und als Profiteur des Aufstands dargestellt, der sich an die Spitze der Putschisten gestellt hatte, um Ceaușescu zu entmachten. Die übereilte Hinrichtung Ceaușescus am 25. Dezember 1989 hatte mehr als nur Signalfunktion. Obwohl die Iliescu- Gruppe nach der Festnahme Ceaușescus am 22.Dezember das Ruder übernommen hatte, gingen in Bukarest die Kämpfe zwischen Aufständischen und „Terroristen“ weiter. Iliescu und seine Anhänger sollen die Konflikte inszeniert haben, um ihre Macht zu stabilisieren. Kurz vor dem Jahrestag der Revolution im vergangenen Dezember löste diese These erneut politischen Wirbel aus, nachdem der Chef der rumänischen Militärstaatsanwaltschaft, Dan Voinea, mitteilte, auch Iliescu würde nun wegen seiner Rolle während der Revolution vor Gericht gestellt.

Die Partei der sozialen Demokratie (PDSR) des Ex-Staatschefs reagierte konsterniert auf die Ankündigung Voineas. In Stellungnahmen war von „politischer Abrechnung“, „Vorverurteilung“ und „Mißachtung rechtsstaatlicher Normen“ die Rede. In seiner Ansprache vor dem Parlament aus Anlaß des Jahrestages der Revolution bezeichnete der Abgeordnete und ehemalige Revolutionär aus Temesvar, George Șerban, die frühere Spitze von Armee, Miliz und Securitate als Hauptschuldige an den blutigen Massakern. Aus Angst, gelyncht zu werden, hätten diese sich die „Diversion der Terroristen“ ausgedacht. Șerban erwähnte namentlich die Generäle Stanculescu, Chitac und Gușa. Gleichzeitig forderte er, das Denkmal, das zu Ehren Gușas errichtet worden war, zu stürzen. Die Armee reagierte sofort auf diesen Angriff. In einer Erklärung hieß es, „die Armee habe sich nicht aus Angst der Revolution angeschlossen“. William Totok