■ Vorschlag: Totmacherlyrics – Fink im Benno-Ohnesorg-Theater
Wer Country spielt, sollte dies mit einem sehr geschickten Händchen tun oder mit einem sehr leichten, fast befreiten, denn der Mittelweg führt durch einen Sumpf, in dem jene Krokodile lungern, die eigentlich Klischees hießen, wären sie keine Metaphern. Fink, eine Viermann-Musikformation aus Hamburg, spielen Country; eher mit einem leichten, als einem technisch versierten Händchen. Sich in Country zu vertiefen erfordert eine gehörige Portion Weltabgewandtheit, denn das letzte Country-Revival liegt allmählich rund zehn Jahre zurück. Aber wer antizyklisch denkt, weiß: Wer heute völlig out ist, ist morgen ganz schwer in. Dieses Morgen sollte für Fink mit der 1997er LP „Vogelbeobachtung im Winter“ eintreten. Für ihre undogmatischen Country-Interpretationen wurden sie oft mit den ebenfalls recht befreiten Country-Autisten Palace verglichen. Die Kritik goutiert ferner eine „ozeanübergreifende Seelenverwandtschaft“ (Spex), die in deutscher Sprache (!) den „Gedichtband des Jahres“ (junge Welt) erschuf. Sie hatten einfach „einen Weg gefunden“ (Rolling Stone). Fink machen Musik am Abgrund von Mord, Totschlag und getrennten Wegen, die sich zwar überkreuzen, aber nie zusammengehen. Kostproben gefällig? „Geh runter von meinem Pferd / ich mag dich nicht mehr / wir sind zusammen geritten / den ganzen Weg bis hierher / (...) Hier nimm deine Sachen / und das Fotoalbum / die guten alten Tage / findest du ziemlich weit vorn / ich hab dich bis hierher begleitet / nun ist es genug / du mußt gehen.“ Zeilen, die ihr volles Bouquet natürlich nur vor den SloMo-Country-Folk-Klängen entfalten.
Dabei schrammt in dem Gedichtband des Jahres manche Zeile haarscharf an eher unbefreiten Totmacher-Lyrics vorbei. „Jetzt wo du da liegst, liebe ich dich erst recht / jetzt wo ich weiß, deine Liebe ist ganz echt.“ Später dann aber: „Ich mache deine Augen mit Klebeband zu / und heb dich in dein Bett, da hast du deine Ruh / das Loch in deinem Kopf stopf ich mit Watte aus / gute Nacht schöne Braut.“ Es gibt eben Dinge, die sich nur ein Jörg Buttgereit erlauben kann. Sei's drum und Schluß mit dem Gemecker, denn da draußen gibt es einige ganz toughe Burschen, denen's gefällt, zum Beispiel Wiglaf Droste. Im Musikalischen bislang bekannt für sein tapferes Engagement im Zweifrontenkrieg BAP/Grönemeyer, hat er sich jetzt auf die letzten Dinge des Lebens besonnen – eben Country – und Fink in sein Benno-Ohnesorg-Theater eingeladen.
Man erzählt sich, er könne jede Zeile auswendig und souffliere schon mal dem Sänger Nils Koppruch, wenn dem im Gedichtband eine Seite fehlt. Countryboy Droste? Es sieht ganz danach aus, denn angekündigt sind von ihm höchstselbst Worte der Einkehr, die er Johnny Cash gewidmet hat. Da aber auch ein Cash nicht jünger wird, müssen andere die Fackel weitertragen: Fink! Nils Michaelis
Heute, 20 Uhr, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte
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