■ Geheimdiplomatie erringt Rente für Holocaust-Opfer in Osteuropa. Fehlende Öffentlichkeit verhindert weitere Entschädigungen
: Keine Gewissensentscheidung

Wer auf moralische Einsicht, wer auf den Ansatz von Gewissensentscheidungen auf seiten der Bundesregierung gehofft hatte, den belehrte Bonn in den vergangenen Wochen endgültig eines Besseren: Die Bundesregierung bleibt bei ihrer Weigerung, individuelle Rente an osteuropäische NS-Opfer direkt zu zahlen. Politische Bewegung in die Frage der Entschädigung der Überlebenden des Holocaust kam überhaupt erst durch internationalen Druck zustande, und einer öffentlichen Auseinandersetzung schließlich ging die Bundesregierung mit ihrer Geheimdiplomatie aus dem Weg.

Einer der größten gesellschaftspolitischen Skandale der Bundesrepublik – daß Bonn sich der Entschädigung der Opfer in Osteuropa verweigerte, während SS-Veteranen dort per Bundesversorgungsgesetz Kriegsrenten beziehen – wurde überhaupt erst durch das NDR-Politikmagazin „Panorama“ aufgedeckt. Doch dieser Skandal allein war für Bonn kein Anlaß, sich um die verdrängten Opfer zu kümmern. Erst der folgende politische Druck aus den USA, bis hin zu Präsident Bill Clinton, sorgte dafür, daß sich Bonn zur Gründung einer Arbeitsgruppe bereit erklärte, die „den Interessen dieser Opfer näherkommen“ sollte. Die eigentlichen politischen Entscheidungen fielen schlußendlich jedoch in Vier- und Sechs-Augen-Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der Jewish Claims Conference.

Dieser Geheimdiplomatie mit den höchsten Vertretern der Jewish Claims Conference indes, der die Holocaust-Überlebenden jetzt die Einigung verdanken, ist es auch geschuldet, daß sie so lange leer ausgingen. Als die Entschädigungsregelung für die NS- Opfer in den USA und Westeuropa 1992 ausgehandelt wurde – die Bundesregierung erkaufte sich nach der Wiedervereinigung damit den Eintritt in die Nachkriegsgemeinschaft der Staaten –, fand sich auch die Jewish Claims Conference nicht bereit, sich für die Opfer in Osteuropa stark zu machen. Die Juden Osteuropas hatten keine Lobby. Und so konnte Bonn damals den expliziten Ausschluß der osteuropäischen Opfer fixieren.

Auch jetzt haben längst nicht alle Opfer des Nationalsozialismus eine Wiedergutmachung erhalten. Nicht Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, nur die öffentliche Diskussion kann die Bundesregierung dazu zwingen, den beschrittenen Weg weiterzugehen. Barbara Junge