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Hase-und-Igel-Haushalt

■ Die Finanzsenatorin findet 100 und verliert gleichzeitig 425 Millionen Mark

„Am Ende der ganzen politischen Bemühungen ist das Defizit genauso groß wie zu Beginn.“Der SPD-Haushaltsausschußvorsitzende Jan Ehlers brachte das Dilemma der mit 38 Milliarden Mark verschuldeten Stadt auf den Punkt. Kein Licht am Ende des Spartunnels zeigte sich denn auch gestern beim Auftakt der Haushaltsausschuß-Beratungen des Etats 1998, den die Bürgerschaft Ende April endgültig verabschieden wird.

Zwar berichtete Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD) vergnügt, daß die Steuereinnahmen '97 nach dem Kassensturz um 100 Millionen Mark höher ausfielen als erwartet. Da aber gleichzeitig '98 425 Millionen weniger in der Kasse landen werden als noch im Oktober '97 kalkuliert, hält sich das Glück in engen Grenzen.

Die neuen Finanzlöcher sollen '98 durch mehr Vermögensverkäufe und '99 um 50 sowie 2000 um 300 Millionen Mark höhere Ein-sparungen gedeckt werden. Da jedoch allein innerhalb des letzten Jahres die Steuerschätzungen um 900 Millionen Mark nach unten korrigiert werden mußten, beruht auch das neue Sparkonzept nur auf dem Prinzip Hoffnung.

Nümann-Seidewinkel resigniert: „Da können wir überhaupt nicht hinterhersparen.“Für sie ist die „Erosion des Steuersystems“schuld. Eine „Wende der Steuerpolitik“sei erforderlich. Jan Ehlers setzt auf einen rot-grünen Sieg bei der Bundestagswahl. Der einsame CDU-Oppositionspolitiker Michael Freytag sah das ganz anders. Schuld an der Krise sei die städtische Finanzpolitik mit zuviel Personal, zuviel städtischem Besitz und zu wenigen Investitionen. Ganz auf Regierungslinie dagegen die Grünen. Wie Freytag bemerkte, tragen sie jetzt mit, „was sie vor der Wahl noch verurteilt haben“. Grüne Kritik am Haushalt blieb denn auch gestern aus. Man will in den kommenden insgesamt sieben Ausschußsitzungen lediglich „prüfen, ob die Koalitionsvereinbarung sich in den Haushaltsplänen der einzelnen Behörden auch wiederfindet“. Und wenn es dann doch noch den einen oder anderen Zusatzantrag der GAL-Fraktion geben sollte, wird er brav „einen konkreten Deckungsvorschlag durch Einsparungen an anderer Stelle“machen. Florian Marten

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