"Gelöbnisse werden nie Normalität"

■ Christian Herz, Sprecher der Kampagne gegen Wehrpflicht, will das geplante Gelöbnis am Roten Rathaus mit einem breiten Bündnis verhindern. Bundeswehr wolle vom Rechtsradikalismus ablenken

taz: Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) hat angekündigt, daß es am 13. August in Berlin das zweite öffentliche Rekrutengelöbnis geben wird. Der Ort des Gelöbnisses soll das Rote Rathaus sein. Kam das für die Kampagne gegen Wehrpflicht überraschend?

Christian Herz: Nein. Wir hatten bereits Informationen, daß es nicht nur ein Gelöbnis geben soll, sondern eine ganze Kette von bundesweiten Gelöbnissen mit dem Ziel, die Bundeswehr in der Öffentlichkeit positiver darzustellen. Mit Gelöbnissen Rechtsradikalismus heilen zu wollen, halten wir allerdings für eine obskure Therapie.

Soll es neben dem geplanten Gelöbnis am 13. August noch ein weiteres in Berlin geben?

Nach unseren Informationen soll es am 25. Juni am Platz der Luftbrücke ein zweites Rekrutengelöbnis geben, zwei Tage bevor mit einem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr auf dem Flughafen Tempelhof in Anwesenheit von 1.000 Veteranen die Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Luftbrücke beginnen.

Die Bundeswehr will Rekrutengelöbnisse als „Normalität“ in Berlin etablieren. Wenn in Berlin in diesem Jahr nun ein oder zwei Gelöbnisse stattfinden sollen, wird das dann auch für die Kampagne gegen Wehrpflicht zur Normalität?

Nein. Es wird nie Normalität sein, ein öffentliches Gelöbnis durchzuführen. Das ist ein öffentliches Ärgernis, und es wird Widerstand geben. Es ist ja so, daß die Strategen im Verteidigungsministerium auch versuchen, kritische Kräfte anzusprechen. Für uns ist die Aufforderung, in die Armee zu gehen, ähnlich unsinnig wie zum Beispiel die Aufforderung an AKW-Gegner, künftig Atomkraftwerke mitzubauen, damit sie sicherer werden. Wir werden versuchen, den Widerstand so breit wie möglich zu organisieren, um die bräunliche Truppe vor dem Roten Rathaus zu verhindern.

Vor zwei Jahren hatten sich die Charlottenburger Bezirksbürgermeisterin Monika Wissel (SPD) und Baustadträtin Beate Profé (Bündnisgrüne) noch gegen das Gelöbnis ausgesprochen. In Mitte aber ist neben Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) selbst PDS-Stadtrat Heuer dafür. Sind das nicht schlechte Vorzeichen, um den Protest zu mobilisieren?

Es ist sicher so, daß die Bundeswehr im Rahmen des Oderfluteinsatzes ihre Akzeptanz steigern konnte. Auf der anderen Seite wird aber auch der Rechtsradikalismus immer deutlicher. Ich gehe deshalb davon aus, daß ein breites Bündnis gestaltbar sein wird, das das Gelöbnis mindestens stört, wenn nicht gar verhindern kann. Interview: Uwe Rada