Der Lady-Di-Faktor

■ Jetzt kommt das Melodram. Den Anfang macht „Die Cellistin“ (20.15 Uhr, ARD)

„Wilden Herzen“ folgen im Leben leider oft gebrochene. Insofern scheint die Fortsetzung des ARD-Gefühlskinos durch Melodramen nicht nur logisch, sondern direkt realistisch. Fünfmal heißt es „Hoffen, Leiden, Lieben“. Melodramen verhandeln unvollendetes Glück als Rührstück mit gefühlsverstärkendem Soundtrack. Sie erzählen einerseits vom Hunger nach perfekten Gefühlen und bedienen ihn auf der Zuschauerseite gleichzeitig.

Die Regisseurin Sherry Hormann („Irren ist männlich“) setzt mit dem Auftaktfilm „Die Cellistin“ auf schöne Oberfläche und den Lady-Di-Faktor: Ihre Heldin Paula ist ein guter Mensch, hübsch, hochbegabt und als Musikerin erfolgreich. Nervenärzte, lockige Bohemiens, der alte Wurlitzer persönlich und New York liegen ihr zu Füßen – was für ein glanzvolles Leben! Paula hat alles und ist am Ende trotzdem angemeiert, nämlich tot. Frühgeburt, Entscheidungsschwäche, dann tödlicher Unfall – es fehlt eigentlich nur noch ein Hirntumor. Aber ein Melodram ist nun mal kein Zuckerschlecken für die Beteiligten.

Auch unsereins meckert die ganze Zeit über am Eröffnungsfilm der neuen ARD-Reihe herum: Wie husch, husch die Charaktere, wie eilig das Tempo, wie modisch das Setting... Tief verliebte Männer schreiten in leeren Lofts auf und ab, um in Folge hurtig zu Flughäfen zu eilen. Und schöne Frauen klemmen des Nachts ihr Cello zwischen die Schenkel. Als wirklicher Mäkelgrund erweist sich, daß Hormann nicht allein Melodramatik, sondern auch extreme Zeitgeistlockerheit erzeugen will. Schließt sich das nicht aus?

Am Ende hat unsereins aber doch eine Träne im Knopfloch. Ach, wieviel reine Dankbarkeit man doch für das eigene kleine, komfortable Unglück aufbringen kann! Paula ist mausetot, wir aber, wenn auch nur mittelschön, mittelbegabt und eher arm, leben! Klassenziel erreicht. Danke, Sherry Hormann. Anke Westphal