■ Cash & Crash: Deflations-Gespenster
Berlin (taz/rtr/AP) – Die Inflation ist in Deutschland im vergangenen Jahr wieder etwas gestiegen. Wie das Statistische Bundesamt gestern mitteilte, mußten die privaten Haushalte im Jahresdurchschnitt 1,8 Prozent mehr für ihre Lebenshaltung ausgeben. 1996 lag der Anstieg bei 1,5 Prozent. Teurer waren 1997 vor allem Rezeptgebühren, Pauschalreisen, Obst und Mieten, billige Telefongespräche, Kaffee und Sprit.
Für den Verbraucher ist eine höhere Inflation auf den ersten Blick schlecht, weil sein Geld weniger wert wird. Doch liegen die Inflationszahlen derzeit weltweit auf derartigen Tiefständen, daß Finanzexperten schon eine weit größere Gefahr sehen – die Deflation.
Es gibt verschiedene Arten, Deflation zu definieren. Währungsforscher führen sie auf eine knappe Geldmenge zurück. Praktiker meinen, daß die Konsumenten einfach nichts mehr kaufen, weil sie Angst vor Arbeitslosigkeit oder sonstigen Krisen haben. Das Resultat ist in jedem Fall: Es werden immer weniger Güter gekauft, die Preise fallen, anstatt zu steigen. Das führt zu einer Abwärtsspirale in der Industrie: Waren werden nicht oder mit Verlust verkauft, und Leute werden entlassen, die Kaufkraft sinkt weiter etc.
Von einer allgemeinen Depression wie Anfang der 30er Jahre kann derzeit aber nicht die Rede sein. Immerhin boomt die weltweit bestimmende US- Wirtschaft weiter. Doch sehen manche die Gefahr einer importierten Deflation aus Asien. Dort fallen Aktien und Währungen, Immobilienpreise und Lohnkosten stetig nach unten. Sollten die Aktien in Amerika und Europa folgen, werden die Turbulenzen in Asien potenziert: Da die privaten Haushalte, vor allem in den USA, einen Großteil ihres Vermögens in Wertpapieren angelegt haben, könnten starke Kursverluste an den Börsen sie zum Sparen und Konsumverzicht veranlassen. Auf diese Weise könnte sich die „deflationäre Spirale“ zu drehen beginnen.
Doch einerseits sinken die Aktien in den westlichen Industrieländern nicht, sie steigen. Und der US-Währungshüter Alan Greenspan meinte selbst, daß sinkende Preise nicht so schlimm sind, wenn sie mit einer Steigerung der Produktivität einhergehen. Das Paradebeispiel ist die Computerindustrie. Sie produziert immer billiger, so daß ihre Rendite trotz sinkender Preise hoch bleibt. rem
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