Auch AKW-Betreiber müßen bluten

■ Hessens Ministerpräsident Eichel (SPD) will 11 Milliarden Mark mehr einnehmen. Parole: „Steuerschlupflöcher stopfen!“

Wiesbaden (taz) – „Wir müssen wieder dahin kommen, daß jeder nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert wird und nicht nach der Geschicklichkeit beim Anwenden von Steuertricks“, verkündete gestern der hessische Ministerpräsident Hans Eichel in Wiesbaden. Der Finanzkoordinator der SPD stellte eine Bundesratsinitiative seiner rot-grünen Landesregierung zur „aufkommensneutralen Sicherung des Steueraufkommens“ und zum „Stopfen von Steuerschlupflöchern“ vor. Das Modell ist mit dem SPD-Präsidium abgestimmt, die SPD-Bundestagsfraktion hat ebenfalls Zustimmung signalisiert.

Nach dem Willen Eichels und seines Finanzministers Karl Starzacher (SPD) soll die Bundesratsinitiative schon in der kommenden Woche auf der Sitzung der Finanzministerkonferenz in Bonn behandelt werden. Eichel zufolge kann die öffentliche Hand durch Abschaffung „unsinniger Steuererleichterungen“ pro Jahr insgesamt 11,2 Milliarden Mark mehr einnehmen. Das schaffe Spielraum für die Unterstützung von Normalverdienern und Familien und eröffne zusätzliche Beschäftigungsperspektiven durch die Stärkung der Massenkaufkraft. Allein 6,8 Milliarden Mark an Mehreinnahmen könnten durch die Streichung von Vergünstigungen für „außerordentliche Einnahmen“ in die leeren öffentlichen Kassen gespült werden, glauben Eichel und Starzacher. Hierbei gehe es vor allem um bislang noch steuerlich begünstigte gewerbliche Veräußerungsgewinne, für die nach geltendem Recht nur der halbe durchschnittliche Steuersatz angewandt werde. Dies sei ein „gewaltiges Steuerschlupfloch“.

Voll versteuert werden sollten die oft schon in den Arbeitsverträgen festgeschriebenen Millionenabfindungen für Spitzenmanager. Von einer Neuregelung nicht betroffen sein sollen die Abfindungen für „normale Arbeitnehmer“ – womit Eichel auf Kritik von Gewerkschaftsseite reagierte.

Weitere 1,5 Milliarden Mark wollen die Sozialdemokraten durch eine Verminderung der Rückstellungen für die Kosten für die Stillegung und die Beseitigung von Atomkraftwerken einspielen. Der bislang geltene Ansammlungszeitraum für diese Rückstellungen der AKW-Betreiber soll von 19 auf 25 Jahre heraufgesetzt werden. Bislang steuerbegünstige Milliardenbeträge, die für die Unternehmen eine „Kriegskasse“ dargestellt hätten, könnten so steuerlich neu bewertet werden. Auch die steuerbegünstigten Rückstellungen für die Kosten der Wiederaufarbeitung von Brennstäben müßten gestrichen werden. Das bringe weitere 720 Millionen, sagte Eichel.

Und wie sind die Erfolgsaussichten für das Steuermodell Eichel? Bayern hat schon abgewunken. Und auch SPD-Chef Oskar Lafontaine räumt dem Konzept im Bundesrat „keine große Chance“ ein.

Wenn der Bundestag aufgrund der Gesprächsabsage der Koalition nicht mehr reformfähig sei, müßten die Länder handeln, versuchte Eichel sich und anderen Mut zu machen. Klaus-Peter Klingelschmitt