Die Radikalkur des IWF verfängt nicht

■ Die Hilfsprogramme nützen nicht den Schwellenländern, sondern nur den spekulationsfreudigen Anlegern aus den Industrieländern

Kritik am Internationalen Währungsfonds (IWF) gab es speziell von linker Seite schon immer. Die Finanzkrise der asiatischen Schwellenländer hat jedoch der Kritik eine neue Note gegeben. Denn diesmal sind nicht irgendwelche Entwicklungsländer in der Schuldenfalle gelandet, sondern aufstrebende Beinahe-Industrieländer und wichtige Handelspartner der westlichen Welt. Nun fällt auf einmal auch ansonsten strikten Verfechtern der freien Marktwirtschaft auf, daß die Radikalkuren, die der IWF in Not geratenen Ländern aufzwingt, womöglich gar nicht helfen – ja schlimmer, daß sie kontraproduktiv sind.

35 Milliarden US-Dollar an Notkrediten hat der IWF den drei am schlimmsten gebeutelten Ländern Süd-Korea, Indonesien und Thailand versprochen und 18,5 Milliarden davon bereits ausgezahlt. Verlangt hat er dafür, daß die Regierungen einen Haushaltsüberschuß erwirtschaften, die Zinsen heraufsetzen, maroden Unternehmen nicht unter die Arme greifen und Investitionsprojekte stornieren. Doch die versprochene Beruhigung der Märkte ist nicht eingetreten. Der bekannte Harvard- Wirtschaftsprofessor Jeffrey Sachs findet es auch völlig unverständlich, wie durch eine Politik, die ganze Volkswirtschaften in die Rezession führt, Ruhe auf den Finanzmärkten einkehren soll.

Die IWF-Kritiker bekamen letzte Woche Schützenhilfe von höchst ungewohnter Seite: von der IWF-Schwester Weltbank, die sich bislang immer ungefragt den IWF- Programmen angeschlossen hatte. „Jeder amerikanische Ökonom lehnt das Prinzip eines ausgeglichenen Haushaltes in der Rezession ab“, sagte der Chefvolkswirt der Weltbank, Joseph Stiglitz. „Warum sollten wir das in anderen Ländern ignorieren?“ Damit beschreibt er die verbreitete Angst, daß die erzwungene Geldverknappung in den Krisenländern immer noch mehr Unternehmen in die Pleite treibt – was in Süd-Korea bereits zu beobachten ist.

Die Standardrezeptur des IWF gehe im Falle der ostasiatischen Schwellenländer völlig daneben, argumentieren die Kritiker. Denn ihre Staatshaushalte sind – anders als in den 70er und 80er Jahren in den hochverschuldeten lateinamerikanischen Staaten – meist in einem besseren Zustand als die der EU-Mitglieder. Vielmehr sind es Banken und produzierende Unternehmen gewesen, die sich auf dem hemmungslos globalisierten Finanzmarkt verschuldet haben.

Die Regierung in Washington hat dennoch den IWF vorgeschickt, der prompt seine üblichen Sparauflagen verhängte. Sinn der US-Bemühungen um Hilfspakete ist natürlich keineswegs die Rettung der asiatischen Schuldner oder Hilfe für die krisengeplagte Bevölkerung dort. Es geht vielmehr um die Stabilisierung des globalen Finanzmarktes. Das aber ist nur ein euphemistischer Ausdruck dafür, daß diejenigen Banken und spekulationsfreudigen Anleger aus der Misere gerettet werden sollen, die von hohen Gewinnchancen gelockt Geld nach Asien gepumpt haben. Das Risiko, das in einer Marktwirtschaft stets der Preis für hohe Profite ist, sollen die Geldgeber nun nicht tragen müssen. Dies erbost sogar konservative Ökonomen. Denn dieser „Freikauf“ begünstigt immer riskantere Geldgeschäfte und sorgt somit für zunehmende Instabilität auf den globalen Finanzmärkten. Der US-Kongreß, der schon immer gerne Gründe fand, warum amerikanische Steuergelder nicht an internationale Organisationen verschwendet werden sollten, hat damit neue Munition bekommen. Eine bereits beschlossene Erhöhung der Mitgliedsbeiträge an den Währungsfonds, der sogenannten Quoten, will eine wachsende Gruppe von US-Parlamentariern möglichst verhindern.

Noch hat der IWF 44 Milliarden Dollar flüssige Mittel aus den Einzahlungen der 182 Mitgliedsstaaten. Doch sollte sich die Krise noch ausweiten, muß der IWF vielleicht selbst Schulden machen. Dies ist zwar kein Problem, denn eine Gruppe von Industrieländern, die G 10, steht als Kreditgeber bereit. Doch bevor die Geld wirklich lockermacht, könnte sie dafür sorgen, daß endlich die IWF-Standardpolitik einer Revision unterzogen wird. Nicola Liebert