Unappetitlich, aber nötig

■ Der Untersuchungsausschuß muß Roeder als Zeugen laden

Gleich heute wird der Untersuchungsausschuß des Bundestages um die rassistischen und rechtsradikalen Affären in der Bundeswehr vor einer heiklen Frage stehen: Wie soll ein medienwirksamer Auftritt des verurteilten Neonazis Manfred Roeder verhindert werden? Schon gestern deutete sich an, daß die Fraktionen ihn nicht als Zeugen laden wollen. Der Untersuchungsausschuß hat die Aufgabe, ungeklärte Fakten zu erhellen. Warum Roeder daran interessiert war, einen Vortrag in der Hamburger Führungsakademie zu halten, hat er in einem Fernsehinterview hinlänglich dargelegt; man könne deshalb auf seine persönliche Anhörung verzichten. Zudem befürchtet man, daß der Ausschuß sich zu sehr auf die Person Roeder kaprizieren könnte. Beide Argumente zeigen, wie ratlos der Ausschuß darauf reagiert, daß Rechtsradikale in der Bundeswehr den Ton angeben.

Roeders Auftritt kann nicht ignoriert werden. Schließlich hat die Bundeswehr ihn ermöglicht. Er wird nicht stumm in den Vortragssaal marschiert sein und sein Deutsch-Russisches Hilfswerk so unverfänglich wie eine Waschmaschine angepriesen haben. Das Gebiet um Kaliningrad nennt er schlicht „Ostwestpreußen“. Wie haben seine Zuhörer auf diesen Jargon reagiert? Roeders Auftritt in Hamburg lief nicht nach dem einfachen Muster einer revanchistischen NPD-Parteiveranstaltung ab. Will der Untersuchungsausschuß sich über die subtile Stimmung seines Vortrages ein Bild machen, gehört Roeder befragt. Das mag unappetitlich werden. Es gehört aber zu einem demokratischen Umgang, beide Seiten zu befragen. Roeders Motive und den Verlauf des Besuchs aus einem TV-Band herauszulesen wäre schlicht unprofessionell. Selbstverständlich wird sich Roeder, ob er nun als Zeuge geladen wird oder als Zuhörer in der öffentlichen Sitzung anwesend ist, im Scheinwerferlicht sonnen. Seine Anwesenheit ist nicht zu verhindern. Das Argument, ihm keine Plattform bieten zu wollen, ist fadenscheinig. Sobald Roeder in das erste Mikrofon spricht, hat er seine Publizität. Effekthascherei kann ein Ausschuß nicht unterbinden. Doch anstatt sich Sorgen um die Wirkung des Neonazis zu machen, sollten die Parlamentarier sich darauf konzentrieren, ihren Untersuchungsauftrag zu erfüllen. Roeder ist nur ein kleines, wenn auch grell schimmerndes Mosaiksteinchen im braunen Sumpf der Truppe. Annette Rogalla Berichte Seite 2