■ Welt Weit Grönling
: Ein Medium wie jedes andere

Glaubt man den vielen Ankündigungen, scheint das Jahr des Tigers für die Internetgemeinde das Jahr der dramatischen Veränderungen zu werden. Also ein ganz normales Jahr, denn wer das schon ein Weilchen kennt, weiß, daß das Internet ungefähr seit Adams Vertreibung aus dem Paradies ständigen Umwälzungen ausgesetzt ist – nur sind die nicht immer zum besten. Aber billiger wird es werden, dafür sorgt schon der Fall des T-Monopols und der Konkurrenzkampf der Provider. Netscape-Chef Marc Andreessen will sogar Netzcomputer kostenlos verteilen. Die Strategie ist goldrichtig, schließlich war damit auch das französische BTX-System „Minitel“ sehr erfolgreich. Eine Studie von Gruner & Jahr ergab, daß sich die Zahl der Internetnutzer hierzulande im letzten Jahr verfünffacht hat. Die Geschichten, in denen sich ein paar pickelige Studenten in einem unkontrollierten Netz tummelten, sind noch nicht einmal mehr Legende. Aus und vorbei – sehr zur Freude der Werbewirtschaft, die in Deutschland im Jahr 1997 über 24 Millionen Mark (1996: 6 Millionen) für Werbung im Internet ausgab.

Und in diesem Jahr soll sich das noch einmal verdoppeln. Damit ist das Internet fast schon ein Medium wie jedes andere, und bald wird man auch genauso damit umgehen müssen. Schließlich ist der Griff von der TV- Fernbedienung zur Plastikmaus nur ein klitzekleiner, und Webzappen macht einfach mehr Spaß. Die „Pushmedien“, bei denen den Usern auch noch das Zappen abgenommen wird, waren bislang wenig erfolgreich, aber vermutlich sind sie einfach zu früh aufgetaucht. Die werden sich schon durchsetzen. Aber was überall „das Internet“ genannt wird, meint ausschließlich das World Wide Web. Und das ist nur ein Teil des Internets. Viel lebendiger sind nach wie vor die Newsgroups: heftige Diskussionen statt toter Webseiten. Aber wer will das noch heutzutage?

Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch, und damit sind wir wieder beim Geld: Die Pilotprojekte „kabelfoon“ in Holland und Otelo-„InfoCity“ in NRW, bei denen der Internetzugang über das TV-Kabelnetz mit zwei Megabit/sec möglich ist (dreißigmal schneller als ISDN), entwickeln sich sehr erfolgreich und sollen erweitert werden. Auch im fernen Osten, in Cottbus, sollen nun in einem ähnlichen Projekt zunächst vier Studentenwohnheime angeschlossen werden. Die schnelle Standleitung für 29 Mark im Monat? Wrooom, das knallt. Nur für die Telekom sind solche Projekte „derzeit kein Thema“. Wundert das irgend jemand? Dieter Grönling

dieter@taz.de