: Bill Gates' Anwalt ärgert Bundesrichter
■ Funktioniert das Computer-Betriebsystem Windows 95 jetzt plötzlich nur noch mit dem Browser von Microsoft? Anhörung vor dem US-Bundesgericht in Washington, Durchsuchung der japanischen Zentrale von
Berlin/Washington (taz/dpa/rtr) Mit einem heftigen Wortgefecht endete der gestrige Tag der Anhörung vor dem Bundesgericht in Washington. Das Gericht prüft, ob die Softwarefirma Microsoft wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens angeklagt werden kann. Auf Wohlwollen kann Bill Gates nicht mehr rechnen. Richter Thomas Penfield Jackson warf Microsofts Anwalt Richard Urowski vor, das Gericht lächerlich zu machen.
Dabei hatte Gates' Rechtsvertreter nur vorgeführt, was Benutzer des Betriebsystems Windows 95 ohnehin kennen: Nichts funktioniert mehr, wenn man die von Microsoft vorgeschriebene Installation eines Programms ändert. Ebendies hatte im Fall von Microsofts „Internet Explorer“ US-Justizministerin Janet Reno so sehr in Rage gebracht, daß sie die Klage einreichte, die das Gericht prüft. Der Internet Explorer ist die graphische Benutzeroberfläche, mit der Microsoft-Kunden Zugang zum World Wide Web bekommen. Die Bündelung des Internet Explorers mit dem Betriebssystem, das auf 90 Prozent aller Heimcomputer installiert ist, verstoße insbesondere gegen eine Selbstverpflichtung, mit der Bill Gates einst versprach, seine Lizenzpolitik gegenüber den Computerherstellern zu ändern.
Gates solle nun – bei einer Strafe von einer Million Dollar täglich – sein Windows 95 ausdrücklich auch ohne Internet Explorer anbieten, so Renos Forderung, auf die sich auch Anwalt Urowski berief. Allerdings nur, um zu beweisen, daß sie unerfüllbar sei: Urowski präsentierte dem Gericht ein Windows-Betriebsystem, bei dem der Internet Explorer wieder entfernt worden war. Dieser Schnitt produzierte Fehlermeldungen am laufenden Band, bis schließlich Richter Jackson der Kragen platzte. Er selbst hatte den Explorer eigenhändig von seinem PC gelöscht, um Microsofts Behauptung zu widerlegen, daß dies nicht möglich sei. „Worum es hier geht,“ rief Jackson in den Saal, „ist allein das, was ich sage, und nicht, was die Regierung sagt!“ Offenbar kam der Richter auch mit dem abgespeckten System zurecht, das Anwalt Urowski zuvor als „degradiert, defizitär und disfunktional“ beschrieben hatte – eine Aussage, die nicht wenige Windows-Nutzer in aller Welt bestätigen dürften.
Die Anhörungen werden fortgesetzt, und inwischen muß Bill Gates nicht nur mit amerikanischen Staatsanwälten rechnen. Am Dienstag ist in Tokio die japanische Zentrale von Microsoft durchsucht worden. Anlaß war der Internet Explorer, ohne den auch hier Windows 95 nicht mehr verkauft wird. Die japanische Handelsaufsicht erklärte, sie ermittle „wegen eines möglichen Verstoßes gegen Kartellgesetze“. Niklaus Hablützel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen