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Nichts gesehen

■ Prozeß wegen Steinwurf bei Demo

Es geschah am Sylvesternachmittag 1994. Vor dem Abschiebegefängnis Glasmoor demonstrierten mehr als 100 Personen mit Knallkörpern gegen dortige Haftbedingungen und die Abschiebepraxis der Justizbehörde. Als die Polizei vorrückte, soll aus der Menschenmenge ein zehn Kilogramm schwerer Felsbrocken auf das Bein eines 51jährigen Beamten geflogen sein. Er erlitt eine leichte Prellung am linken Oberschenkel.

Vor dem Norderstedter Amtsgericht muß sich seit gestern der 23jährige Michael K. verantworten, dem Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen wird. Wegen der zur Tatzeit eingesetzten Dämmerung, so räumte der getroffene Polizist ein, habe er allerdings den Täter fast nicht erkennen können. Er schätze ihn auf „1,80 bis 1,90 Meter“ – Michael K. ist 1,98 groß. Auch ein Zivilbeamter konnte sich nur daran erinnern, daß der Werfer „groß und schlank“ gewesen sei. Trotzdem nahm die Polizei kurze Zeit nach Auflösung der Demonstration K. fest, weil er, wie auch der Täter, eine schimmernde Jacke trug. K. selbst wollte sich gestern zu den Vorwürfen noch nicht äußern. Von zwei weiteren an der Festnahme beteiligten Beamten erhofft sich das Gericht genauere Angaben. Da sich einer von ihnen aber zur Zeit in Brasilien aufhält, muß das Verfahren am 2. Oktober wieder neu aufgenommen werden. Denn laut Strafprozeßordnung darf ein Prozeß nicht länger als zehn Tage unterbrochen werden. Die zum Antifa-Spektrum zählende „Glasmoorgruppe“ befürchtet nun, daß sich „die polizeilichen Zeugen noch einmal untereinander absprechen und ihre Aussagen aufeinander abstimmen“ könnten. tim

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