Warten auf die Synode

■ Kirche zu alten und neuen Lebensformen

Die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche denkt neu über Ehe, Familie und andere Lebensformen nach. In der vergangenen Woche stellten der Vorsitzende der Kirchenleitung, Bischof Karl Ludwig Kohlwage, und Synodenpräsidentin Elisabeth Lingner ein 60-Seiten-Papier zum Thema vor. „Dieses Papier ist die Einladung zum Gespräch auf allen Ebenen unserer Kirche“, sagte Kohlwage.

Viele Christen waren im Vorfeld der Veröffentlichung unter dem Titel „Handreichung für das Gespräch und die Meinungsbildung in den Gemeinden der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche“ vor allem auf die Äußerungen des von der Kirchenleitung eingesetzten Arbeitsausschusses zum Thema 'Homosexualität' gespannt. Denn gerade darüber kommt es in der Kirche immer wieder zu Kontroversen. Besonders seit homosexuelle Paare den Segen der Kirche für ihre Lebensgemeinsschaft einfordern und sich immer mehr schwule und lesbische PastorInnen 'outen'. Doch die „Handreichung“ ist ein politisches Papier. Statt klar Stellung zu beziehen, bringt es „biblische, theologisch-ethische und humanwissenschaftliche Einsichten“ über Homosexualität zur Sprache. Synodenpräsidentin Elisabeth Lingner betonte: „Die Schrift wird einen Einstieg in Debatten ermöglichen und in der März-Synode 1996 zu Ergebnissen führen.“

Die „Handreichung“ empfiehlt, „jeder Ausgrenzung und Stigmatisierung homosexueller Mitmenschen in der Gesellschaft und in der Gemeinde entgegenzutreten und sich an der Suche nach menschlich und christlich überzeugenden, dauerhaften, tragfähigen Lebens- und Beziehungsformen für homosexuelle Menschen zu beteiligen“. In der kirchlichen Praxis sieht es für hauptamtlich Beschäftigte allerdings noch anders aus. Homosexuelle Lebensgemeinschaften werden zwar toleriert – nur dürfen sie nicht öffentlich werden. Aus Rücksicht gegenüber der Gemeinde. Und weil, wie Bischof Kohlwage klarstellte, „die homosexuelle Beziehung im Pfarrhaus nicht mit dem Pfarrerrecht vereinbar ist“. Kohlwage wandte sich ausdrücklich gegen das „Outen“ schwuler Pastoren, die damit Druck auf die Kirche ausüben wollten. Er forderte: „Wir brauchen auch in dieser Frage den gesamtkirchlichen und ökumenischen Kontext“.

Auf absehbare Zeit zeichnet sich kein kirchlicher Segen für schwule und lesbische Paare ab, und die homosexuelle Lebensgemeinschaft im Pfarrhaus muß weiter verborgen werden. Die Kirche wird einmal mehr nicht voranpreschen.

Torsten Schubert