Atomfreies Bremen ist möglich

■ Dürfen sie durch Bremen fahren oder dürfen sie nicht: Seit Jahren läuft das Hickhack der Gutachter um die Atomcontainer, doch in Bremerhaven kommen sie immer noch tagtäglich an/Was kann die Politik tun?

„Wir können Atomtransporte über Bremische Häfen nicht zurückweisen. Das geht einfach nicht.“Rüdiger Staats, Pressesprecher von Hafensenator Uwe Beckmeyer (SPD), bleibt da standhaft. Das Argument ist immer wieder das gleiche: Atomtransporte werden durch Bundesrecht geregelt. Und Bundesrecht bricht Landesrecht. „Wir wollen die Atomtransporte nicht“, so Staats. „Aber schauen sie nach Niedersachsen beim Castor-Transport: das Bundesland wurde gezwungen, die Atomtransporte zuzulassen.“

Die Argumentation des Häfensenators ist so alt, wie ein Gutachten, das die Koalition noch zu Ampelzeiten Anfang der 90er Jahre in Auftrag gegeben hatte. Fragestellung: Hat Bremen irgendeine Möglichkeit, den Umschlag, die Lagerung oder das Verbringen radioaktiver Güter im Hafengebiet zu untersagen? Rainer Lagoni vom Institut für Seerecht und Seehandelsrecht in Hamburg kam in dem Gutachten tatsächlich zu dem Schluß, daß Bremen nichts gegen die Transporte unternehmen könne. Weder die Bremer Hafenbehörde noch die Innenbehörde sei dazu befugt, heißt es in Lagonis Gutachten.

Die Grünen in der Bürgerschaft waren entäuscht. Genaue Zahlenzum Ausmaß der Transporte lagen damals nur bruchstückhaft vor. Heute steht fest, daß zwischen 1980 und 1995 160 Nukleartransporte in der Hafengruppe Bremen-Stadt über die Bühne gingen. In Bremerhaven waren es in einem viel kürzeren Zeitraum, nämlich zwischen 1988 und 1. Juli 1995, sogar 1.679 Transporte. Greenpeace geht allein für den Zeitraum seit 1991 von 600 Transporten aus – ohne dabei das Ausmaß des Transitverkehrs von strahlender Fracht zu berücksichtigen.

Tatsächlich hat sich Bremen zu einer Drehscheibe für Atomtransporten entwickelt. Müll aus den Atomkraftwerke Norddeutschlands muß zu Wiederaufbereitungsanlagen oder zum Deponieren durch die Republik geschuckert werden. Ein Drittel aller bundesweiten Castortransporte streift oder durchquert so Bremisches Gebiet – auf der Straße, auf der Schiene oder in den Häfen.

Ein anderes Gutachten steht bis heute den Thesen von Rainer Lagoni entgegen. 1991 legte Michael Günther, Rechtsanwalt in Hamburg, ein eigenes, von den Grünen und Greenpeace in Auftrag gegebenes Gutachten vor. Schlußfolgerung: Atomtransporte können verhindert werden. Voraussetzung dafür, so Günther, sei die „Entwidmung oder Teileinziehung“des Hafens. Im Klartext: Bestimmte Güter dürfen im Hafen nicht mehr umgeschlagen werden. Zum Beispiel Atomgüter. Zuständig für eine Entwidmung wäre der Häfensenator Bremens.

Mit der Gefahr der Atomgüter allerdings könne man nicht argumentieren, so Günther in seinem Gutachten. Nur planungsrechtliche Überlegungen seien ein Grund für die Entwidmung. Solche Überlegungen beruhen zum Beispiel städtebaulichen Gesichtspunkte. Schon früher hatte Günther ein ähnliches Gutachten für die Hansestadt Lübeck verfasst. Im Lübecker Hafen werden heute keine Atomtransporte mehr abgefertigt. Und auch der Emdener Hafen ist inzwischen keine gute Adresse mehr für solche Fracht.

Doch in Bremen ist alles anders. „In Emden und Lübeck gab es eine politische Mehrheit für den Stopp der Atomtransporte durch die Häfen“, sagt Uwe Peters, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen in Bremerhaven. „So eine Mehrheit hat es hier nicht einmal zu Zeiten der Ampelkoalition gegeben.“1993 gab es runde Tische mit dem Häfensenator und den Gutachtern – doch gebracht hat das alles nicht viel. Nur weil nie jemand gegen die Entscheidung der Städte geklagt habe, so meint das Häfenressort, seien die Hafenbetreiber der anderen Städte mit ihrem Protest durchgekommen.

„Die Entwidmungsdebatte ist irgendwann hängengeblieben“, erinnert sich Peters. Jetzt setzt man eher auf die Sicherheitsrisiken, die die Transporte bergen. Das ist politisch auch besser zu verkaufen als die verworrene juristische Debatte um die Entwidmung. Futter für die Sicherheits-Argumentation bekommen die Grünen nun von einem dritten Gutachten, das lange im Giftschrank der Häfenbehörde schlummerte. Cornelius Noack und Gerald Kirchner stellten in dem Papier von März 1996 fest, daß sowohl im Hafen wie auch auf den Zubringerstrecken der Deutschen Bahn vieles zu verbessern wäre (taz vom 5.11.1997). Inzwischen haben schon mehrere Bremer Beiräte, durch deren Gebiete die gefährliche Fracht gerfahren wird, einem Bürgerantrag zugestimmt, der einen Stopp der Transporte fordert.

Im Dezember blockierten Greenpeaceler zudem auf spektakuläre Weise einen Plutoniumtransport in Bremerhaven. Auch Greenpeace ist überzeugt, daß der Häfensenator Atomtransporte durch Bremen und Bremerhaven verhindern kann. Daß jetzt die Grünen und vor allem Greenpeace Druck macht, ist dem Häfensenator natürlich überhaupt nicht recht. „Die Exportgenehmigung für das Plutonium kam vom Umweltminister in Hessen – und das ist ein Grüner“, versucht Häfensenator-Sprecher Rüdiger Staats die Verantwortung für den Transport weiterzureichen. „Solange die AKW–s hier produzieren, wird es auch die Transporte geben“, prognostiziert Staats. „Und solange müssen wir uns rechtstreu verhalten.“ Christoph Dowe