Das Portrait
: Skandalsicher am Dirigentenpult

■ Wladimmir Ashkenazy

Ein Einstand nach Maß für den weltberühmten russischen Dirigenten und Pianisten. Das Haus war natürlich lange ausverkauft, als Wladimir Ashkenazy Ende letzter Woche sein erstes Konzert als Leiter der Tschechischen Philharmonie in Prag gab. Mit Werken von Anton Dvorák, Felix Mendelssohn-Bartholdy und Richard Strauss trat der Sechzigjährige sein neues Amt an.

Im Juni 1997 war Ashkenazy, der weiterhin dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin vorsteht, zum Chefdirigenten der Prager Philharmoniker berufen worden – eine Stelle, die er termingerecht zum 1. Januar dieses Jahres übernahm – vorerst bis zum Ende der Saison 2000/2001. Er trat damit die Nachfolge des umstrittenen Hamburger Generalmusikdirektors Gerd Albrecht an, der vor ziemlich genau zwei Jahren das Handtuch geworfen hatte. Gerd Albrecht war der erste Ausländer an der Spitze des traditionsreichen Orchesters gewesen, seine Bestellung wurde damals in Fachkreisen als kleine politische Sensation gewertet.

Doch schon bald sah sich Albrecht an seinem neuen Arbeitsplatz in Prag Angriffen nationalistischer Kreise ausgesetzt, die seine Qualifikation für diesen Posten in Frage stellten. Die Grabenkämpfe vertieften sich im Laufe der Zeit zusehends, und im Januar 1996 kam es letzlich zum Eklat: Der tschechische Kulturminister entzog Albrecht die künstlerische Kompetenz für die Philharmonie und übertrug sie einem Tschechen. Zu diesem Zeitpunkt stimmte selbst Präsident Václav Havel öffentlich in den Chor der Kritiker Gerd Albrechts ein. Dieser erklärte daraufhin am 30. Januar 1996 seinen sofortigen Rücktritt – nicht ohne zu betonen, „politische Beschränktheit“ habe zu diesem Schritt geführt.

Solche Querelen dürften Wladimir Ashkenazy erspart bleiben. Nicht nur, weil der im russischen Gorki geborene Musiker weltweit großes Ansehen genießt und damit praktisch unanfechtbar ist. Sondern auch, weil der Sechzigjährige sich solche Intrigen, wie sie Albrecht widerfuhren, kaum gefallen lassen dürfte. Schließlich kündigte Ashkenazy erst im Dezember 1994, ohne zu zögern, seine fast achtjährige Tätigkeit als Musikdirektor des Londoner Royal Philharmonic Orchestra, weil dieses Gespräche mit dem Dirigenten Daniele Gatti aufgenommen hatte, ohne ihn davon zuvor in Kenntnis zu setzen. Daniel Bax