Vielleicht erhört ER ja Dich! Stoßgebet eines anonymen Kubaners

Lieber Wojti, als erstes muß ich Dir sagen, daß sie uns in der Schule nie beigebracht haben, wie man Dich anredet: mit „Exzellenz“ oder „Ihre Heiligkeit“ oder mit Vor- und Zunamen, oder einfach mit „Lieber Papst“? Gut, ich weiß es nicht, und damit halte ich mich für entschuldigt, wenn ich Dich also auf kubanische Art anrede: Also erstens werde ich Dich duzen, und zweitens kürze ich Deinen Namen ab. Das machen wir mit allen hier, sogar mit Fidel Castro – da wird „Fifo“ draus. Also nimm's mir nicht krumm, wenn ich Wojti zu Dir sage, das ist reine Sympathie.

Kubaner wie ich, die um die 40 sind und mit der Revolution geboren worden sind, hatten verdammt wenig Gelegenheit, gläubig oder religiös zu sein. Die meisten von uns sind nicht mal getauft, weil unsere Eltern in die Partei wollten, weil dort ja die Avantgarde war. Aber irgendwo hinter dem Schrank blieb immer ein Herzjesulein hängen, oder unter dem Bett eine Schale mit heiligen Muscheln.

Hinter der unfehlbaren historisch-materialistischen Weltsicht, mit der wir groß wurden, behielten wir immer ein bißchen Zweifel – was unsere Form war, ein bißchen Glauben zu behalten. Irgendwann haben sie dann auf einem Parteitag erklärt, daß die Religion nicht mehr das Opium des Volkes sei, und daß man gleichzeitig Kommunist und gläubig sein konnte. Naja, das hat nicht dazu geführt, daß allzu viele Gläubige in die Partei eingetreten sind, aber die Parteimitglieder konnten wieder religiös sein.

Wojti, Du warst in vielen Ländern dieser Welt, und Du hast schlimmeren Hunger gesehen als den unseren; Du hast härtere Repression und totalitaristischere Staaten kennengelernt als unseren; Du hast religiöse Verfolgung, das Fehlen persönlicher Freiheiten, Inhaftierungen, Folter, Hoffnungslosigkeit und Werteverlust in schlimmerem Ausmaß erlebt als unsere, und, wer weiß, für einen Ruander oder Iraner oder Iraker oder Nordkoreaner mögen unsere Probleme paradiesisch erscheinen. Aber für uns sind es unsere Probleme, und wir Kubaner, die wir auf der Insel leben, können fast nichts tun, um irgend etwas daran zu ändern.

Zum Glück verkörperst Du, Wojti, ja keine Militärmacht. Soweit ich weiß, hat der Vatikan in neuerer Zeit keine Länder besetzt, keine terroristischen Attentate unterstützt und keine Blockade propagiert.

Deswegen können wir Dich auch bitten, uns Kubanern zu Hilfe zu kommen – deswegen, und weil Du ja mit IHM sprechen wirst, weil ER Dich ja empfängt. Sag IHM, daß seine Herde genug hat vom Leidensweg; daß wir unsere persönliche Würde wiedergewinnen wollen, die wir gegen die nationale Würde eingetauscht hatten – eine, die nur noch von außen wie Würde aussieht, für Solidaritätsclubs in Finnland oder Buenos Aires, und natürlich auf den Titelseiten unserer Zeitungen. Erlauscht von Reynaldo Escobar

Übersetzung: Bert Hoffmann