Tödlicher Machtkampf in Amman

Der Mord an acht Menschen in einer jordanischen Villa könnte Rache für vier in Bagdad gehängte Jordanier sein – aber ebenso Ergebnis einer Fehde unter Geschäftsleuten  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Die Ereignisse entzücken Verschwörungstheoretiker: Ein rätselhafter achtfacher Mord in Amman könnte vorläufiger Höhepunkt eines irakisch-jordanischen Machtkampfes sein. Nachdem Unbekannte in der jordanischen Hauptstadt in der Villa eines irakischen Geschäftsmannes unter anderem einen irakischen Geheimdienstler und drei schwerreiche Händler mit guten Beziehungen nach Bagdad niedergemetzelt hatten, verkündete Iraks Staatschef Saddam Hussein eine Generalamnestie für im Irak inhaftierte Jordanier.

Am Sonntag abend war der jordanische Oppositionelle Leith Schubeilat von Saddam Hussein persönlich empfangen worden. „Präsident Saddam Hussein hat entschieden, alle jordanischen Gafangenen umgehend freizulassen“, meldete anschließend die irakische Nachrichtenagentur Ina. Gegen Jordanier anhängige Gerichtsverfahren würden eingestellt.

Die Maßnahme ist ein Geschenk und ein Affront zugleich für Jordaniens König Hussein. Anfang des Monats hatte dessen Innenminister mit seinem irakischen Amtskollegen über jordanische Gefangene im Irak verhandelt. Die Gespräche wurden auf die Zeit nach dem Ramadan vertagt. Der nun erfolgreich in Bagdad vorstellig gewordene Islamist und Gewerkschaftler Schubeilat gehört zu den ärgsten Kritikern des jordanischen Königs. Wegen „Majestätsbeleidigung“ war er 1995 zu drei Jahren Haft verurteilt, 1996 dann aber begnadigt worden. Daß ausgerechnet er den jordanischen Gefangenen im Irak die Freiheit beschert, ist ein Triumph der jordanischen Opposition.

Vier jordanischen Studenten konnte Schubeilat freilich nicht mehr helfen. Sie wurden am 8. Dezember in Bagdad wegen Schmuggels von Autoteilen im Wert von umgerechnet 1.500 Mark hingerichtet. Gegenüber dem britischen Independent tischte jedoch vor einer Woche der zur Opposition übergelaufene ehemalige irakische Geheimdienstler Wafik al-Sammarai eine andere Version auf: Die Jordanier mußten aus Rache sterben – weil Saddam Hussein glaubte, König Hussein sei in einen Putschversuch gegen ihn verwickelt. Mitglieder des Oppositionsbündnisses „Irakische Nationale Übereinkunft“ in Amman hätten Kontakt zu dem irakischen General Talib al-Sadun aufgenommen, dem Putschgelüste nachgesagt wurden. Laut al-Sammarai wurde ein Brief, der Details eines Plans zum Sturz Saddam Husseins enthielt, vom irakischen Geheimdienst abgefangen.

Sadun sei Ende Dezember in Bagdad hingerichtet worden, berichtete Ex-Geheimdienstler Sammarai. Doch Saddam Hussein habe geglaubt, „daß König Hussein hinter dem Putschversuch“ stand. Und das bedeutete das Todesurteil für die vier Jordanier.

Tatsächlich verfolgt Jordaniens Herrscher eine vieldeutige Irak- Politik. Nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait wurde er international wegen seiner neutralen Haltung als proirakisch gegeißelt. Seit der Befreiung Kuwaits gelingt ihm ein politischer Spagat. Einerseits bildet Jordanien Bagdads Tor zur Welt. Andererseits entwickelt sich Amman zum Standort irakischer Oppositioneller. Arabische Medien berichteten zudem, der König habe geäußert, er würde den Irak gerne mitregieren.

Die ARD in Amman will erfahren haben, jordanische Polizisten hätten in der Mordvilla an einer Wand die Parole entdeckt: „Jordanisches Blut ist teuer“. Sollte das zutreffen, dann läge ein Zusammenhang zwischen dem achtfachen Mord und der Hinrichtung der Studenten in Bagdad auf der Hand. Doch warum sprachen die vier oder fünf Attentäter mit irakischem Akzent? „Wir können einen politischen Hintergrund nicht ausschließen“, zitierte gestern die Jordan Times einen Ermittler, „aber unsere bisherigen Erkenntnisse deuten auf geschäftliche Differenzen als Tatmotiv.“ Es bleibt viel Freiraum für Verschwörungstheorien.