: Die Bremer Kinotaz ... ... alle Filme, alle Termine
A
Alien – Die Wiedergeburt USA 1997, R: Jean-Pierre Jeunet, D: Sigourney Weaver, Winona Ryder, Ron Perlman
„Das schleimige Ding west weiter, und auch im vierten Teil der Science-Fiction-Serie „Alien“geht es seiner Lieblingsbeschäftigung nach: Fressen und Befruchten. Selbst die dienstälteste Alien-Bekämpferin Ripley (Sigourney Weaver) mußte sich am Ende von Teil drei von einem der Monster begatten lassen und sterben. Nun ist die Heldin als Klon-Mutant neu entstanden und ringt mit Muttergefühlen für ein Schleimwesen, dessen Großeltern sie einst über die Kinoleinwände gejagt hatte. Erst als die Androidin Call (Winona Ryder) auftaucht, sieht Ripley wieder klar.“(Der Spiegel) UT-Kinocenter
American Werwolf in Paris Großbritannien/USA 1997, R: Anthony Waller, D: Tom Everett Sloane, Julie Delphy
„Gäbe es eine Auszeichnung für die schlechtesten Special Effects aller Zeiten, stände dieser Film auf der Anwärterliste weit oben. In John Landis' Film von 1981 „An American Werwolf in London“war die Verwandlung des unbedarften amerikanischen Studenten in ein Wolfsungeheuer einer der Höhepunkte des Films. In der Fortsetzung sind die Verwandlungseffekte und Werwölfe digital erzeugt - und unfreiwillig komisch. Regisseur Anthony Waller hat einige parodistische Einfälle, aber nachdem erst einmal die Identität der Untoten enthüllt ist, spult sich der Film bis zum finalen Gemetzel mechanisch ab. Und so bleibt bis zum bitteren Ende dieses Films eigentlich das wichtigste Unterhaltungsmoment: das Schmunzeln über die schlechten Tricks.“(epd-film) UFA-Palast, UT-Stern
B
Beautiful Thing Großbritannien 1996, R: Hettie MacDonald, D: Linda Henry, Glen Berry
„Pubertät ist etwas Schreckliches, besonders wenn man entdeckt, daß man anders als die anderen ist. Jamie lebt mit seiner Mutter in einer Londoner Sozialwohnung, findet seine Homosexualität und schließlich auch den Nachbarsjungen Ste. Zu guter Letzt tanzen die beiden engumschlungen auf der Straße. Regisseurin Hettie MacDonald erzählt in ihrer gelungenen Adaption eines Londoner Theaterstücks nicht nur eine wunderschöne Liebesgeschichte, sondern liefert auch eine differenzierte Milieustudie, wie man sie zur Zeit nur im britischen Kino findet.“(tip) Kino 46
Ben Hur USA 1965, R: William Wyler, D: Charlton Heston, Stephen Boyd
„Der 1880 erschienene Roman des amerkanischen Rechtsanwalts und Bürgerkriegsgenerals Lewis Wallace in einer dreieinhalbstündigen Neuverfilmung, die an kolossalem Aufwand alles bis dahin Gedrehte übertraf. 365 Sprecherrollen. 50.000 Komparsen, über 1 Mio. Requisiten, 16,2 Mio. Dollar Kosten. Bewunderter Höhepunkt (wie schon des Stummfilms): Das Quadrigarennen im Zirkus, mit dem der römische Tribun Messala und der unterjochte israelitische Prinz Ben Hur ihren jahrelangen Kampf zwischen Despotie und Freiheitsgeist beenden - ein Duell galoppierender Pferde, stürzender Leiber, stampfender Hufe, berstender Räder.“(Lexikon des internationalen Films) Gondel
Benjamin Blümchen Deutschland 1997, R: Karl Blatz
Bekannt wurden der sprechende Elefant Benjamin Blümchen und die kleine Hexe Bibi Blocksberg durch Hörspielcassetten und Videos für Kinder. Jetzt kommen sie pünktlich zur Weihnachtszeit in einem deutschen Billig-Zeichentrickfilm ins Kino. UT-Kinocenter
Broken Silence Schweiz 1995, R: Wolfgang Panzer, D: Martin Huber, Ameenah Kaplan
Der Regisseur Wolfgang Panzer schickt einen Kartäusermönch aus seinem schweizer Kloster in die weite Welt hinaus und läßt ihn zusammen mit einer afroamerikanischen Globetrotterin mit Taxi, Bus, Bahn und Schiff durch Indien und Indonesien reisen. Ohne festes Drehbuch fuhren die beiden Schauspieler mit einem kleinen Filmteam die Reiseroute des Films entlang und zusammen entwickelten sie die einzelnen Szenen, je nach den Gegebenheiten und ihren Entdeckungen an den einzelen Drehorten. Alle wirklich guten Road-Movies haben solch einen dokumentarischen Kern: Die Reise wird uns nicht nur vorgespielt, sondern die Schauspieler haben wirklich in den engen Bussen gesessen, haben sich den Mund am scharfen indischen Essen verbrannt und wußten nicht, in welchem Bett sie am Abend schlafen würden.“(hip) Cinema
C
Comedian Harmonists Deutschland 1997, R: Joseph Vilsmaier, D: Ben Becker, Ulrich Noetken, Kai Wiesinger
Diese posthume Erfolgsgeschichte mußte natürlich auf der großen Leinwand enden, und der große Gefühlsbademeister Vilsmaier ist wohl auch der richtige Mann dafür. Man könnte sich zwar auch eine schön böse Tragikomödie von Helmut Dietl vorstellen, die dem raffinierten Witz ihrer Lieder sicher näherkäme, aber bei Künstlerbiographien mit solchen Pflichtzutaten wie „Aufstieg und Fall“, den Greatest hits und Schauspielern, die den Originalen möglichst ähnlich sehen, stört zuviel Originalität nur. Und im großen und ganzen hat Vilsmaier auch alles richtig gemacht: Die Ausstattung ist prächtig, und das Grundübel aller Biopics löste er mit dem gängigen Trick: Wenn zu wenig passiert, kommt eine Liebesgeschichte immer gut. Dabei hat er natürlich geglättet: Die böse Pointe, daß die arischen Bandmitglieder ihre jüdischen Partner nach deren Emigration in die USA wegen Verdienstausfalls verklagten, verschweigt er uns.“(hip) Schauburg, City, Passage (Del), Casablanca (Ol)
Cop Land USA 1997, R: James Mangold, D: Sylvester Stallone, Robert De Niro, Harvey Keitel
Ja, ich weiß: Kein auch nur halbwegs geschmacksicherer Kinogänger tut sich einen Film mit Sylvester Stallone an. Die Frage, ob er überhaupt ein Schauspieler, oder nur ein selbstherrlicher, waffenschwingender Selbstdarsteller ist, beantwortete sich bisher in seinen Filmen wie von selber, doch jetzt ist es ihm gelungen, alle zu verblüffen. Denn in „Cop Land“SPIELT er einen fetten, ziemlich tumben Kleinstadtsheriff, der in eine Sache gerät, die eindeutig ein paar Nummern zu groß für ihn ist. Und wenn er am Schluß dann doch nach den Pistolen greift, hat er dabei nichts mehr von seiner penetranten Action-Helden-Pose. „Cop Land“erinnert in vielem an „High Noon“. Auch hier muß sich ein Individuum gegen den ganzen Ort stellen, und der Fall wird dadurch noch komplizierter, daß in Stallones Revier fast jeder Einwohner entweder selber ein Cop im nahegelegenen New York ist, oder zumindest mit einem verwandt. Mangold hat eher unspektakulär und in der US-Tradition der Schauspielerfilme inszeniert. Und zu aller Überraschung gelingt es Stallone, seinen Anti-Helden so intensiv und uneitel zu spielen, daß er Harvey Keitel und Robert De Niro nicht nur eine, sondern alle Szenen stielt. Dazu hat er sich, wie einst De Niro in „Raging Bull“, eine beachtliche Wampe angefressen, sodaß „Cop Land“inzwischen unter dem inoffiziellen Titel „Fat Man Walking“läuft. (hip) Filmstudio, Wall- & Ziegelhofkinos
D
Deckname Dennis Deutschland 1997, R: Thomas Frickel, D: Dennis Mascarena, Frau Noelle-Neumann, viele sehr deutsche Deutsche
Wie mag wohl der Rest der Welt uns Deutsche sehen? Und können wir, durch einen quasi ethnologischen Blick auf uns selbst, Neues über uns erfahren? Diese Fragen beantwortet einer der witzigsten deutschen Filme der letzten Zeit. Und dabei ist „Deckname Dennis“keine von den so verdächtig erfolgreichen einheimischen Komödien, sondern ein Dokumentarfilm, zwar in der Montage satirisch überhöht, aber all die merkwürdigen Typen, die Thomas Frickel uns hier vorstellt, sind reale, waschechte Deutsche. Aus New York wird ein Spion in die Bundesrepublik geschickt, um dort als Fernsehreporter getarnt, die Natur der Deutschen zu ergründen. Der Verfremdungseffekt dieses fadenscheinigen dramaturgischen Vehikels ist ebenso simpel wie frappierend: wir sehen unsere Landsleute mit den erstaunten Augen dieses übergewichtigen Amerikaners, der sich möglichst extreme Teutonen vor seine Kamera holt, und gerade bei den politischen Wirrköpfen sein Talent beweist, Interviewpartner mit scheinbar naiven Fragen aufs intellektuelle Glatteis zu locken. Vieles ist dabei in erster Linie komisch. In einem Lokal wird Dennis etwa eine 4 Meter lange Bratwurst serviert (die er auch brav verputzt), und der Amerikaner findet gleich 4 Uhrmacher, die alle ernsthaft von sich behaupten, die größte Kuckucksuhr der Welt gebaut zu haben. Vom Gartenzwerg-Museum führt Dennis der Weg zum Aschermittwochstreffen der CSU, wo ein bierseliger Bayer ihm nationalistische Dummheiten ins Mikrophon lallt, und dies ist nicht das einzige Mal, wo einem das Lachen im Halse stecken bleibt. (hip) Cinema, Casablanca (Ol)
Disney's Angels - Engel gibt es wirklich USA 1994, R: William Dear, D: Danny Glover, Christopher Lloyd
Früher mußte in einer Hollywood-Schnulze schon einiges im argen sein, um den Eingriff von himmlischen Mächten zu begründen: Engel halfen den Menschen nur, wenn sie entweder kurz vor dem Selbstmord waren (“Ist das Leben nicht schön?“) oder abweichend vom himmlischen Zeitplan starben (“Heaven can wait“). Aber jetzt ist den Drehbuchautoren offensichtlich nichts mehr heilig, und so lassen sie eine amerikanische Baseballmannschaft, die schlicht zu schlecht ist, um zu gewinnen, durch einige himmlische Ersatzspieler verstärken. Auch nur halbwegs interessant wäre das nur, wenn in der gegnerischen Mannschaft ein paar Teufelchen mitspielen würden. (hip) Atlantis
E
Ein Fall für die Borger Großbritannien 1997, R: Peter Hewitt, D: John Goodman, Marc Williams
„Für die Familie Clock, die zum Völkchen der „Borger“gehört, ist jeder Kühschrank ein Everest, jede Küchendurchquerung ein Abenteuer a la „Indiana Jones“. Die zwergenhaften Clocks leben unter dem Häuschen der Lenders, von denen sie sich „borgen“was sie brauchen. Als ein habgieriger Anwalt (John Goodman) das Haus abreißen lassen will, eilt die pfiffige Arietty Clock (Flora Newbigin als Mix aus Pippi Langstrumpf und Laura Ingalls) zu Hilfe. Die Ausstattung ist exquisit, die Effekte sind, obwohl kein Hollywood-Standard, charmant. Liebevoller geht's kaum.“(TV-Spielfilm) UT-Kinocenter
Der Eissturm USA 1997, R: Ang Lee, D: Kevin Kline, Sigourney Weaver
Was macht ein Regisseur nach solch einem triumphalen Welterfolg wie „Sinn und Sinnlichkeit“? Die meisten Filmemacher würden den einfachsten Werg gehen, und sich als Spezialisten für sensible Kostümschinken etablieren. Ang Lee ist mutiger sowie geschickter, und inszenierte mit „The Ice Storm“das absolute Gegenstück zu seinem letzten Film. Statt der sonnigen Wiesen im England des 19. Jahrhunderts zeigt er uns nun das winterlich-graue Amerika der 70er Jahre. Vom ersten Bild eines von Eiszapfen starrenden Vorortszuges an ist das Eis die übermächtige Metapher für diese erstarrte Gesellschaft. In den etwas feineren Vororten von New Canaan, Conneticut scheinen 1973 die Kinder reifer zu sein als ihre Eltern. Präsident Nixon, die Vaterfigur der Nation, wurde gerade des Lügens überführt, und die Erwachsenen probieren solche neumodischen Verhaltensweisen wie Partnertausch oder Ladendiebstahl aus. Der Film wirkt manchmal geradezu besessen von Zeit und Raum, selbst auf Kosten des Erzählflusses. Man bekommt eher kleine Einblicke in das Leben zweier Mittelklassefamilien als eine genau definierte Geschichte. Dafür ist die Ausstattung perfekt abgestimmt mit viel Polyester, potthäßlichen Frisuren, Wasserbetten und Cordanzügen. Auf den ersten Blick wirkt „Der Eissturm“grau und abweisend, aber Lee bewahrt auch hier seinen freundlich-ironischen Touch, der den ewigen Winter des Films erträglich macht. (hip) Filmstudio, Casablanca (Ol)
Event Horizon - Am Rande des Universums USA 1997, R: Paul Anderson, D: Sam Neill. Laurence Fishburne, Joely Richardson
Wenn ein Science Fiction Film schon mit einem ganz billigen Buh-Effekt beginnt, und man dann die Raketentriebwerke im Weltall laut dröhnen hört, obwohl es im Vakuum keine Schallwellen geben kann, ist schnell klar, daß dies eines der eher dümmlichen Exemplare des Genres ist. Hier ist der Regisseur mit allen Mitteln darauf aus, das Publikum ständig zu erschrecken. Immer wieder gibt es etwa solche alten Tricks wie Alptraumszenen, die uns als „real“vorgespiegelt werden, bis der Träumende erwacht. Aber weil dies nie wirklich originell ist, ärgert man sich hinterher nur darüber, wie leicht man sich ins Bockshorn jagen ließ. Die Grundidee, daß ein Raumschiff von Wesen besetzt ist, die die Träume der Menschen zu Fleisch werden lassen, haben die Filmemacher von Lems „Solaris“abgekupfert. Aber während bei ihm die philosophische Spekulation dahinter stand, daß wir das Fremde nie wirklich verstehen können, kommt uns „Event Horizon“mit dem guten alten Inferno. Und wenn das Fremde die Hölle ist, braucht man sich auch nicht weiter um die Logik der Geschichte zu scheren. Wen schert es schon, daß es nie klar wird, wer denn nun aus der Hölle die kryptischen Botschaften in Latein schickt, wenn der ganze Film ohne viel Sinn und Verstand mit christlichen Symbolen vollgestopft ist? Kreuzigung, herausgerissene Augen und blutige Opferungenszenen gibt es diesmal halt in den Tiefen des Weltraums, aber ansonsten ist „Event Horizon“nichts weiter als ein furchtbar abgedroschener Gruselfilm. (hip) City, UFA-Stern, Passage (Del)
F
Funny Bones Großbritannien 1994, R: Peter Chelsom, D: Oliver Platt, Jerry Lewis
Die Tränen eines Clowns gehören zu den wirkungsreichsten Tricks der dramaturgischen Künste. In diesem Film gibt es gleich zwei von diesen weinenden Bajazzos: Jack ist von Natur aus so komisch, daß er eine Gefahr für seine Umwelt darstellt, und Tommy versucht mit allen Mitteln, das Publikum zum Lachen zu bringen, bleibt aber doch immer nur im Schatten seines Vater: des erfolgreichsten Komikers von Amerika. Jerry Lewis wurde diese Rolle direkt auf den Leib geschneidert. Eine weiter Hauptrolle spielt Blackpool, der etwas heruntergekommene englische Badeort, den der Regisseur mit wunderbar gespielten Originalen bevölkert, die durch seinen liebevollen Blick lebendig werden. So hat dieser sehr komische Film auch eine seltene emotionale Wärme. (hip) Filmstudio
G
The Game USA 1997, R: Peter Fincher, D: Michael Douglas, Sean Penn
„Michael Douglas wird von Sean Penn dazu verführt, Mitglied in einem Club zu werden, der als Spiel die Leben von Menschen in Filmdrehbücher verwandelt. Dies ist ein Yuppie-Alptraum, ein persönlicher Gau für einen Kontrollfreak. Ein wenig wie Hitchcocks „Der unsichtbare Dritte“, wo auch ein Mann sein Leben perfekt organisiert hat, und es löst sich vor seinen Augen auf. David Fincher, der vorher „Sieben“inszeniert hat, ist sehr gut darin, diese Alptraumathmosphäre heraufzubeschwören, aber das große Problem ist, daß der Plot einfach keinen Sinn macht. Man fragt sich den ganzen Film über, was dieses „Game“eigentlich ist. Entweder ist es wirklich ein raffiniertes Spiel oder ein böser Trick, um den Mitspielern alles Geld abzuknöpfen und sie in den Selbstmord zu treiben. Und die Schlußpointe ist dann genau die Lösung, die man selbst schon als zu lächerlich abgetan hat, weil sie physikalisch einfach unmöglich ist. Das sollen wir nun schlucken und dazu noch, daß Michael Douglas all das brav über sich ergehen läßt, was einfach nicht zu seiner Figur paßt. Wenn man den Film als kafkaeske Achterbahnfahrt genießt, mag man ihm das Ende vielleicht verzeihen, aber das Publikum wird hier übel hereingelegt.“(Chris Tookey) UFA-Stern
Ganz oder Gar nicht Großbritannien 1997, R: Peter Cattaneo, D: Robert Carlyle, Tom Wilkinson, Mark Addy
„Weil nackt zu tanzen immer noch besser ist als arbeitslos rumhängen, gründen sechs schmalbrüstige, unmusikalische und dickbäuchige Männer eine Stripteasetruppe. Nur britisches Kino schafft es, Themen wie den Niedergang der Stahlindustrie mit Familienvätern in roten Latex-Tangas zusammenzubringen – spöttisch, komisch und sentimental.“(Der Spiegel) Ufa-Stern, UT-Kinocenter, Casablanca (Ol) / Originalfassung ohne Untertitel im UFA-Palast
H
Hercules USA 1997, R: Ron Clemens
„Dies ist nach dem eher ernsthaften „Glöckner von Notre Dame“eine Rückkehr zum süßlich-komischen Stil von „Die Kleine Meerjungfrau“und „Aladin“. Es ist natürlich völlig anders als alles, woran wir uns aus der antiken Heldensage erinnern: Sehr amerikanisch, laut und vulgär, aber halt auch ein großer Spaß. Zeus, der in der griechischen Mythologie ja eher ein Serien-Vergewaltiger war, wird uns hier etwa als liebender Familienvater vorgeführt, und das Happy End läßt „Herc“, wie er genannt wird, mit seiner Freundin Megara glücklich werden, während wir doch in der Schule gelernt haben, daß er wahnsinnig wurde und Megara sowie alle seine Kinder umbrachte. Aber sowas geht bei Disney nun wirklich nicht. Die ganze Sache hat mehr mit Hollywood-Genres als mit der griechischen Mythologie zu tun: So gibt es wie in „Rocky“einen Trainer, der Herkules zu einem Boxchampion trimmt, oder Megara umgarnt „Herc“mit ihrer Perlenkette wie einst Barabara Stanwyck den Henry Fonda in „The Lady Eve“.“(Christopher Tookey) UT-Kinocenter, Ufa-Palast, Schauburg, Casablanca (Ol)
Die Hochzeit meines besten Freundes USA 1997, R: P.J. Hogan, D: Julia Roberts, Dermont Mulroney, Cameron Diaz, Rupert Everett
„Dies ist ein äußerst komischer Film, der von vielen Kritikern in den USA und England völlig falsch verstanden wurde. Wie die meisten meiner Kollegen habe auch ich mich in den letzten Jahren über Julia Roberts mokiert, aber hier gibt sie ein brilliante Leistung als komische Schauspielerin. Dies ist eine „screwball comedy“, und bei den Versuchen, auf fürchterlichen und irrsinnigen Umwegen ihre große Liebe zu erobern, stellt sich Julia Roberts auch nicht absurder an als Cary Grant in „His Girl Friday“auf der Jagd nach Rossalind Russel. Es scheint nur viele zu stören, daß diesmal ausnahmsweise mal die Frau die aktive Rolle spielt. Das Publikum kommt viel schneller dahinter als einige meiner Kollegen, und so mäkeln sie an dem unorthodoxen Happy-end herum.“(Christopher Tookey) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Passage (Del), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol) / UFA-Palast auch in der Originalfassung ohne Untertitel
I
Il gattopardo - Der Leopard Italien/Frankreich 1962, R: Luchino Visconti, D: Burt Lancaster, Gina Lollobrigida, Alain Delon / Originalfassung mit Untertiteln
„Il gattapardo“ist Viscontis zweiter Film über die Zeit des Risorgimento, des Kampfes um die Einheit Italiens, der Übergangszeit zur Moderne, und damit der Zeit des Verfalls aristokratischer Herrschaft und Lebenformen. In epischer Breite und mit detailbesessener Genauigkeit, inszeniert Visconti den Niedergang einer Klasse (der er selber angehörte) als rauschendes Fest der Sinne. Jedes Rascheln eines Kleides auf dem Parkett wird registriert; der Film schwelgt in Formen und Farben einer Welt, die im Vergehen begriffen ist und deren ganze Pracht Visconti noch einmal entfaltet, weil nach ihr nichts Nennenswertes mehr kommen wird. Burt Lancaster wurde unter Viscontis diktatorischer Anleitung zu einem Fürsten, der gesetzte Form und Förmlichkeit gestaltet und zugleich sich so bewegt, daß der rapide Prozeß des Ermüdens, des Alterns, des Entsagens nie brüchig wird. Der amerikanische Schauspieler spielte den sizilianischen Adeligen so überzeugend und ergreifend, daß man sich keinen nobleren und würdigeren Repräsentanten einer abdankenden Herrschaftsschicht vorstellen kann.“(Reclam Film Klassiker) Kino 46
Im Auftrag des Teufels USA 1997, R: Taylor Hackford, D: Keanu Reeves, Al Pacino
„Wie ehedem Tom Cruise als Anwalt in „Die Firma“bekommt der junge Strafverteidiger Keanu Reeves ein Angebot, das er kaum ausschlagen kann. Der charismatische Al Pacino lockt ihn in seine New Yorker Kanzlei. Doch dieser scheint mit dem Teufel im Bunde zu sein. Regisseur Hackford und Drehbuchautor Tony Gilroy haben tief in den Fundus der Kulturgeschichte gegriffen, um ein Bild von der Faszination des Bösen in unsere heutigen Welt zu schaffen - Goethes „Faust“, „Rosemaries Baby“, sogar Darth Vader läßt sich entziffern. Großartige Bilder und Darsteller, inklusive eines völlig entfesselten Al Pacino, unterstützen eine Story, die den Zuschauer auf geradezu teuflisch geniale Weise an der Nase herumführt.“(TV-Spielfilm) UFA-Palast, UT-Kino
J
Jenseits der Stille Deutschland 1996, R: Caroline Link, D: Howie Seago, Emmanuelle Laborit
„Caroline Link zeigt, daß mit dem deutschen Kino auch dann noch zu rechnen ist, wenn ihm das Lachen vergangen ist: Eine Tochter gehörloser Eltern wird ausgerechnet Musikerin. Die Eltern begreifen nicht, daß sie sich mit ihrer Klarinette jenseits der Sprache ausdrücken kann – genauso wie diese mit ihren Gebärden. Mit „Jenseits der Stille“ist der jungen Regisseurin ein wunderbar musikalischer Film aus der Welt der Taubstummen gelungen.“(Der Spiegel) Cinema, Atelier, Gondel, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)
K
Die kleine Hexe CSSR/Deutschland, R: Zdenek Smetana
„Eine erst 127 Jahre „junge“Hexe, der kaum ein Zauber gelingt, wünscht sich sehnlichst, in der Walpurgisnacht auf dem Bocksberg tanzen zu dürfen, was ihr auch ermöglicht wird, obwohl sie eine andere Vorstellung von „Hexerei“hat als der Hexenrat. Ansprechender Zeichentrickfilm nach dem Kinderbuch von Ottfried Preussler, der trotz einiger Ausrutscher und einer nur bedingt fürs Kino gedachten Gestaltung eine amüsant-lehrreiche Lektion über die verschiedenen Bedeutungsebenen des Wortes „gut“bietet.“(Lexikon des internationalen Films) Kino 46
Die kleine Zauberflöte Deutschland 1997, R: Curt Linda
„Er wird es nicht leicht haben, der Zeichentrickveteran Curt Linda („Das kleine Gespenst“), mit seiner Trickversion der gleichnamigen Mozart-Oper. Im Vergleich zur geballten Animationsmacht aus Übersee wirkt sein Märchen auf angenehme Art altmodisch - fast wie ein Scherenschnitt.“(TV-Spielfilm) UT-Kinocenter, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)
L
La fille seule Frankreich 1995, R: Benoit Jaquot, D: Virginie Ledoyen, Benoit Magimel / Originalfassung mit Untertiteln
„Jaquots Spielfilm unternimmt ein gewagtes filmisches Experiment: In Echtzeit erzählt er davon, wie eine junge Zimmerkellnerin während ihrer sprapaziösen Arbeit eine folgenschwere Entscheidung zu treffen hat. Es sind stets dieselben labyrinthischen Gänge, die Valerie an ihrem ersten Arbeitstag im Hotel durchmißt, doch hinter jeder Tür wartet ein anderer Gast auf sein Frühstück, warten - meist unangenehme - Überraschungen. So sehr hat man sich nach etwa einer Stunde an den Arbeitsrhythmus gewöhnt, daß der Film einen Acht-Stunden-Tag im gleichen Tempo weitergehen könnte.“(tip) Kino 46
Lebe lieber ungewöhnlich Großbritannien 1997, R: Danny Boyle, D: Ewan McGregor, Cameron Diaz, Holly Hunter
„Es gibt einige Momente in „Lebe lieber ungewöhnlich“, bei denen es möglich wird, die sexy, surrealistische Komödie zu erkennen, die Regisseur Danny Boyle und Drehbuchautor John Hodge wohl gerne gemacht hätten. Aber mit schlechtem timing, unzusammenhängend und uneben, ist dieser so ambitionierte Film nur faszinierend im Umfang seines Scheiterns. Mit dem Abschied von den makaberen Späßen ihrer ersten beiden Filme „Kleine Morde unter Freunden“und „Trainspotting“versuchten die beiden, ihren modischen, subversiven Pop-Stil in ein neues Genre zu verpflanzen: die Scewball-Romanze als Comic. Eingezwängt irgendwo zwischen die klassischen Hollywood-Komödien „A Matter of Life and Death“und „It Happened One Night“folgt der Plot den ausgetretenen Wegen des irrwitzigen Pärchens auf der Flucht. Durch Klassenschranken und Temperament getrennt, sind Ewan McGregor's Pförtner und Cameron Diaz's reiches Mädchen eine Rückkehr zu Gable und Colbert, aber während Capras Paar von Witz und dem Schwung gieriger Leidenschaft zischt, wirken McGregor und Diaz wie ein Paar naßgewordene Knallfrösche. Diaz spielt die coole Zynikerin nur gehässig und ohne die dringend nötige Verletzlichkeit, und McGregor fehlt der schurkische Charme, der ihn attraktiv statt nur dümmlich machen würde. Aber die fundamentaleren Probleme liegen im schwachen Drehbuch. Während die Komödien der 30er Jahre Sex in brilliante Hänseleien sublimierten, poltern die Dialoge von Hodge schwerfällig herum, um dann mit schwachen Gags über Menschen niederzukommen, denen die Partner mit ihren Aerobic-Trainern durchbrennen.“(Sight and Sound) Schauburg, UFA-Palast
Das Leben ist ein Spiel (Rien ne va plus)Frankreich/Schweiz 1997, R: Claude Chabrol, D: Michel Serrault, Isabelle Huppert, Francois Cluzet
„Rien ne va plus? Von wegen, bei Claude Chabrol geht immer mehr. Auch in seinem 50. Film zeigt der mittlerweile 67jährige Klassiker des französischen Kinos, daß er wie eh und je zu den Meistern seines Fachs zählt. Nach selbst verfaßtem Drehbuch schickt er zwei seiner Lieblingsschauspieler in ein krimikomödiantisches Fondue für Feinschmecker. Isabelle Huppert und Michel Serrault bilden das erfolgreiche Gauner-Gespann Betty und Victor, das sich mit raffinierten Trickbetrügereien das eigene Portemonaie füllt. Mit pointierten Dialogen, dreisten Wendungen und sogar einer schweißtreibenden Folterszenen zu Opernmusik würzt der Oldie but Goldie sein skurriles Jubiläumswerk um ein schrulliges Betrügerpaar, das sich in seinen Bluffs verheddert und erfahren muß, daß eine Stricknadel auch ins Auge gehen kann. Aber so ist er, unser Chabrol: Immer ein wenig durchtrieben.“(Bremer) Gondel, Cinema, Casablanca (Ol)
Letzte Runde Deutschland 1977, R: Antonia Lerch
„Zwischen Mitternacht und Morgengrauen wird selbst in den Bars und Kneipen in Berlin irgendwann die „Letzte Runde“ausgeschenkt. Wenn Antonia Lerch mit ihrer Kamera loszieht, geschehen immer eigenartige Geschichten, weil sich vor einer neugierigen Kamera immer und grundsätzlich Geschichten ereignen. Ohne Frage, ohne Erwartung, gestehen Menschen, warum sie gerade das machen umd nichts anderes. Stadt, Nacht, die Existenz.“(Katalog der dokumenta X) Kino 46
Lolita USA 1997, R: Adrian Lyne, D: Jeremy Irons, Dominique Swain, Melanie Griffith
„Obwohl Regisseur Adrian Lyne Nabokovs Nymphen-Thema werktreu umsetzt, scheut Hollywood den Film wie der Teufel das Weihwasser. Trotz Kritkerlob will kein US-Verleih ihn in die Kinos bringen. Dabei setzt „Lolita“zu keinem Zeitpunkt auf Sensationshascherei. Die Verführungsszenen sind eher symbolische Arrangements, die verbotene Erotik entsteht vornehmlich im Kopf des Betrachters. Im Grunde genommen gibt sich diese gelungene Literaturverfilmung bis auf die Knochen moralisch. Die Pädophilie, hier eher Vergötterung als Kindesmißbrauch, wird keineswegs idealisiert. Daß Ironie und Mitgefühl für den Täter das Gut-Böse-Schema aufweichen, mag manchen überfordern. Aber daß allein die Thematisierung für derartige Aufregung sorgt, ist der wahre Skandal.“(Dorothee Lackner) UFA-Stern
M
Men in black USA 1997, R: Barry Sonnenfeld, D: Tommy Lee Jones, Will Smith, Linda Fiorentino
„M.I.B. ist ein unprätentiöser Film, der im Kleinen Größe zeigt – also das genaue Gegenteil von Luc Bessons Das fünfte Element. Er läßt dem Zuschauer Zeit, die Vielfalt der Aliens zu bestaunen. In schönster B-Film-Tradition kommt M.I.B. gleich in der ersten Szene zur Sache, wenn die Grenzpolizei in New Mexico einen LKW anhält, voll mit illegalen Einwanderern – „illegal aliens“, wie es doppeldeutig im Englischen heißt, von denen einer tatsächlich ein Außerirdischer ist. Dessen Enttarnung bleibt allerdings zwei plötzlich auftauchenden M.I.B. vorbehalten, die den Grenzverletzer leider erschießen müssen.“(epd) Ufa-Stern
Der Morgen stirbt nie Großbritannien 1997, R: Roger Spottiswoode, D: Pierce Brosnan, Jonathan Pryce, Michelle Yeoh
Der Witz bei den Bond Filmen besteht darin, daß die immer gleichen Zutaten einerseits genau wie in den Vorgängern und dann doch anders, frischer, gewagter serviert werden müssen. Dieser beginnt mit einer Enttäuschung: Es gab noch nie solch einen schlechten Titelsong wie den von Sheryl Crow gewimmerten. Aber dafür sind die Autojagd, die waffentechnischen Spielereien und das Finale, bei dem Bond wieder in letzter Sekunde den Weltkrieg verhindern muß, hier so rasant und pfiffig inszeniert, wie schon lang nicht mehr. Sogar aus der ständigen Produkt-Werbung vom BMW konnte Regisseur Spottiswoode Kapital schlagen, und so fahren sich die Bösewichter in ihrem Mercedes ausgerechnet in ausgestreuten Daimler-Sternen die Reifen kaputt.“(hip)
City, UFA-Stern, UT-Kinocenter, Wall- & Ziegelkinos (Ol)
Mutter und Sohn Rußland 1997, R: Alexander Sokurov, D: Gudrun Geyer, Aleksej Ananischov
Aus dem Filmprogramm der documenta X: Eine Liebesgeschichte von der tiefen Zuneigung, die eine Mutter und einen Sohn verbindet. „Die Landschaft, in der Mutter und Sohn leben, ist von trauriger Schönheit. Sokurow inszeniert sie wie ein deutscher Romantiker, seine Bilder sind den Gemälden eines Caspar David Friedrich näher als glänzenden Filmbildern.“(Katalog documenta X) Kino 46
N
Nix zu verlieren USA 1997, R: Steve Oedekerk, D: Tim Robbins, Martin Lawrence, Kelly Preston
„Was passiert, wenn ein arbeitsloser schwarzer Familienvater einen weißen Geschäftsmann überfällt, den aber die Pistole gar nicht schreckt, weil ihm alles egal ist, seit er seine Frau mit einem anderen im Bett gesehen hat? Dann beginnt eine wundervolle kriminelle Freundschaft - wie die zwischen dem Schwarzen T. (Martin Lawrence) und dem Weißen Nick (Tim Robbins). Regisseur Oederkerk stürzt seine Protagonisten in ein schwungvolles Buddy-Movie mit coolem HipHop-Soundtrack, aus dem sie mit fulminantem Situations- und Wortwitz herauskommen.“(TV-Spielfilm)UT-Kinocenter, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)
Nowhere USA 1997, R: Gregg Araki, D: James Duval, Rachel True
„Man stelle sich vor: die Jungs und Mädels von „Beverly Hills 90210“auf LSD. Lauter attraktive junge Leute, aufgetakelt wie in einem schlechten Traum, tummeln sich in surrealen Bilderfluten. Der 18jährige Dark und seine Clique cruisen durch Los Angeles, hoffen auf Sex und eine Party, schlucken Pillen und reden einen Stakkato-Slang, der mit gängigem Englisch kaum eine Vokabel teilt. Und alle das mit der Coolness der Verzweiflung, denn sie glauben, daß es ein Morgen sowieso nicht gibt. Der Untergrundfilmer Araki zeigt auch hier wieder sein (gelegentlich nervenaufreibendes) Talent, den Aufruhr verlorener Pubertätsseelen nach außen zu kehren. Seine Filme sind so chaotisch, laut, punkig und durchgeknallt wie seine Figuren - und wenn dann tatsächlich Shannen Doherty aus „Beverly Hills 90210“an einer Bushaltstelle auftaucht, wundert sich der Zuschauer über gar nichts mehr.“(Der Spiegel) Atelier
P
Peterchens Mondfahrt Deutschland 1987, R: Wolfgang Urchs
„Peterchen und seine Schwester Anneliese fliegen mit dem fünfbeinigen Maikäfer Sumsemann auf den Mond, um dort dessen seit Generationen ,verlorenes' Bein zurückzuholen. Auf Kinder im Märchenalter zugeschnittenes, spannendes und humoriges Zeichentrickfilm-Abenteuer.“(Lexikon des internationalen Films Gondel
Pippi Langstrumpf Schweden/Deutschland 1997, R: Clive Smith
„Ich hab ein Haus, ein Äffchen und ein Pferd...“Wer jetzt noch nicht mitsummt, sollte sich vielleicht ernsthaft fragen, wie und womit er seine Kindheit verbracht hat. Obwohl: eine moderne Zeichentrickversion „unsere“Pippi? Da halten wir's doch lieber mit dem „Highländer“: Es kann nur eine(n) geben!“(TV-Spiefilm) City, Schauburg, Wall- & Ziegelhofkinos
R
Red Corner USA 1997, R: Jon Avnet, D: Richard Gere, Bai Ling
„Das war ja vorauszusehen: Richard Gere, seines Zeichens buddistischer Hollywood-Star und Duzfreund des Dalai Lama, spielt in einem Film, der die Machenschaften des kommunistischen China anprangert. Genauer gesagt, die fragwürdigen Methoden der chinesischen Justiz. Der gute Mensch von Hollywood gegen böse Kommunisten: Alles gut gemeint, doch es bräuchte einen subtileren Regisseur als Jon Avnet (“Aus nächster Nähe“), um zu überzeugen.“(V. Bleek) UFA Palast, Gloria, UT-Kino, Wall- & Ziegelhofkinos
Rostov-Luanda Deutschland/Frankreich 1977, R: Abderrahmane Sissako
„Rostov, Luanda. Was haben diese beiden Städte miteinander zu tun? Sie sind Stationen einer Biographie. Der junge Regisseur begibt sich auf die Suche ... nach der verlorenen Heimat. Es ist ein Film, der die Konfusion eines Kontinents sinnlich werden läßt, und wir ahnen etwas von der Geschichte Afrikas.“(Katalog dokumenta X) Kino 46
Rotkäppchen Deutschland 1953, R: Fritz Genschow, D: Daniela Maris, Werner Stock
„Eine moderne Version des Grimmschen Märchens: Rotkäppchen ist ein Kind der heutigen Zeit, das mit dem „bösen Wolf“in Gestalt des modernen Straßenverkehrs konfrontiert wird. Die eigentliche Märchenhandlung erscheint als Traumvision. Die Künstlichkeit der Produktion hat zur Folge, daß der Märchenzauber verlorengeht, ohne daß der pädagogisch unterhaltsame Effekt den kindlichen Zuschauer erreicht.“(Lexikon des internationalen Films) UFA-Palast
S
Siddhartha USA 1972, R: Conrad Rooks, D: Shashi Kapoor, Simi Garewal
„Ein glitzernder, spielfilmlanger Werbespot, dessen Ursprung Hesses Roman über den schönen Brahmanen ist, der sich auf die Reise begibt, um nach der Wahrheit zu suchen. Von einem Freund mit einem Babygesicht begleitet, flippt er mit den Sadhus im Wald aus, hört Buddah in seiner Höhle zu, vögelt als Silhouette mit einer reichen Kurtisane und macht als Kaufmann viel Geld. Er steigt dann wieder aus und findet die Erleuchtung als Fährmann. Wohl kaum einer wird aus dem Kino gehen ohne Hesses Botschaft begriffen zu haben, daß es keinen sicheren Weg zur Wahrheit gibt, daß suchen heißt, nicht zu finden, und daß „alles auf dem Rad des Lebens wiederkehrt“. Leider ist der Film mit so wenig Imagination gemacht.“(Time Out) Atlantis
Sieben Jahre in Tibet USA 1997, R: Jean-Jaques Annaud, D: Brad Pitt
„Den Stoff, aus dem die klassischen Monumentalfilme sind, liefert die Autobiographie des österreichischen Bergsteigers Heinrich Harrer: 1943 gelingt ihm die Flucht aus britischer Kriegsgefangenschaft in Nordindien. Er schlägt sich nach Tibet durch. In der für Fremde verbotenen Stadt Lhasa gewinnt er die Freundschaft des jungen Dalai Lama. Während er dem aufgeweckten kleinen „Gottkönig“alles über die Welt jenseits des Himalaya beibringt, färbt die buddhistische Lebens- und Denkweise seiner Gastgeber auf den arroganten Egomanen Harrer ab. Jean-Jaques Annaud läßt den „Mythos Tibet“in prachtvollen Bildern lebendig werden, ohne uns eine süßliche Religionsstunde zuzumuten. Alle Details sind penibel recherchiert, der Dalai Lama selbst stand mit Rat und Tat zur Seite, seine Schwester spielt im Film seine Mutter. Annaud schickte Brad Pitt vor dem Dreh für drei Wochen nch Österreich, nicht nur zum Bergsteigertraining. „Er sollte ein Gefühl dafür bekommen, einen Österreicher zu spielen.“Hat geklappt - selten war der Star so gut wie hier.“(TV-Spielfilm) City
Spiceworld - der Film Großbritannien 1997, R: Bob Spiers, D: Spice Girls, Richard E. Grant
„1997 wird als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Spice Girls über uns kamen. Selbst wer ihre Musik konsequent mied, traf spätestens im Supermarkt auf die penetranten Gewürzgirlies: In Form von Spice-Girls-Parfüm, Spice-Girls-Puppen, Spice-Girls-Kuchen, Spice-Girls-Chips usw, usw. Jetzt droht auch noch der Film. Im Branchenjargon nennt man das Produktdifferenzierung. Nur schmeckt die vorgeblich scharfe Girl Power so fade wie abgestandene Kartoffelchips“(taz) City, UFA-Palast, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)
Stilleben Frankreich/Deutschland 1997, R: Harun Farocki
"Wie die Werbung ein gefülltes Bierglas zu einem universellen Bild macht: Harun Farockis neue essayistisch-dokumentarische Untersuchung der Sprache der Bilder. In „Stilleben“geht es zudem noch um die brissante Mischung von Wahr und Falsch, von Realem und Zauberei, von Welt mit und Welt ohne Glanz.“(Katalog dokumenta x) Kino 46
T
Titanic USA 1997, R: James Cameron, D: Leonardo DiCaprio, Kate Winslet
„Nicht Cameron hat ein Thema gefunden, sondern das Thema ihn. Dem Drehbuchautor und Regisseur kommt es dabei nicht auf Symbole und Metaphern an. Er sucht das private Drama in der Kollision zwischen menschlicher Hybris und der von aller technischen Raffinesse unbeeindruckten Natur. So besitzt dieser Actionfilm durchaus Züge eines Kammerspiels, die den Fluß der Katastrophe immer wieder auf produktive Weise hemmen - im Dienste einer großen, altmodisch erzählten Love-story. Camerons „Titanic“ist eine suggestive Zeitreise, eine Reise auch in eine betonierte Klassengesellschaft. Den Gegensatz zwischen oben und unten, Erster und Dritter Klasse, läßt Cameron ausspielen: maliziöser Snobismus und aufgeräumtes Palaver hier, trunkener Tanz und schwitziges Armdrücken dort. Als hätte ihm das Pathos des Themas Ehrfurcht vor der Historie aufgenötigt, läuft Camerons Special-Effect-Maschine wie gedrosselt. Die Katastrophe spiegelt sich am wirkungsvollsten in den Gesichtern der Opfer und in poetischen Bildfindungen. Leichen auf dem Wasser erscheinen als Stilleben der Vergänglichkeit.“(epd-Film) Europa, UFA-Palast, UT-Kinocenter, Lichtspielhaus (Del), Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)
W
Widows Deutschland 1997, R: Sherry Horman, D: Katja Flint, Ornella Muti, Eva Mattes
„Der Traum vom Märchenprinzen, der in den letzten Jahren noch so manche deutsche Komödie angetrieben hatte, ist ausgeträumt in „Widows“: die Prinzen haben sich nach Jahren der Ehe in Frösche verwandelt. und man kann die Ehefrauen durchaus verstehen, wenn sie sich über die Vorzüge des Witwenstandes Gedanken machnen. Mit den Männern hatte es Sherry Hormann schon in ihrem letzten Film „Irren ist männlich“nicht gut gemeint. „Widows“ist noch ein wenig böser gedacht. Und wäre er auch so konsequent böse gemacht, hätte das eine amüsante rabenschwarze Komödie geben können, über das, was aus Jungmädchenträumen einmal werden kann. Aber nur wenige Szenen sind witzig und nur wenige berühren das Herz. Trotz einer Versöhnung am Ende und dem sichtbaren Bemühen um Tiefgang fühlt man sich schließlich vor allem an diesen albernen Frauenwitz erinnert: eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad. Selten so wenig gelacht.“(epd-film) UT-Kinocenter, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)
Wieder allein zu Haus USA 1997, R: Raja Gosnell, D: Alex D. Linz, Olek Krupa, Rya Kihlstedt
„Nicht mehr der originale Kevin, sondern der Frechdachs Alex ist diesmal allein zu Haus. Und gleich vier Gegner sehen sich seinen ausgefuchsten Attacken mit Murmeln, Spielzeugrobotern und Leim ausgesetzt. Beinahe verspürt man gar Mitleid mit den internationalen Top-Gangstern, die trotz ihrer High-Tech-Ausrüstung noch mehr Verbrennungen und Erfrierungen, Schrammen und Beulen einstecken müssen als ihre Vorgänger.“(tip) UT-Kinocenter
Winterschläfer Deutschland 1997, R: Tom Tykwer, D: Ulrich Matthes, Marie-Lou Sellem, Florianne Daniel
„Von der Unmöglichkeit der Liebe handeln seine Filme, sagt Regisseur Tom Tykwer. Hier sind es gleich fünf Menschen, deren Schicksale er auf eine Weise miteinander verknüpft, die in ihrer geschickten Konstruktion mitunter an Robert Altmans „Short Cuts“erinnert. Krankenschwester Laura, die Übersetzerin Rebecca, Skilehrer Marco, Filmvorführer Rene und der Bauer Theo leben in einer kleinen Stadt in den Bergen. Ein mysteriöser Autounfall bringt das folgenreiche Personenkarussel in Gang. Unterstützt von brillanten Darstellern gelingt Tykwer das Kunststück, intellektuelles europäisches „Kopfkino“mit sinnlicher Emotionalität zu verbinden. Ein kleines Kunstwerk, in ruhigen, eleganten Bildern inszeniert.“(TV-Spielfilm) Atlantis
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