■ Welt Weit Grönling
: Unendlich binäre Viren

Sauwetter, mistiges! Erst ist es „für die Jahreszeit zu warm“, dann regnet es und regnet – und plötzlich ist es kalt. Wer sich da keinen Virus holt, ist entweder abgehärtet oder geht überhaupt nicht aus dem Haus. Zumindest nicht auf Parties von Sportlern, denn die sind zwar nett, aber gesund. Und die rauchen nicht. Auch nicht auf ihren Parties, wo die Frage nach dem Aschenbecher eine mittlere Entrüstung auslöst und den Kolumnisten unverzüglich auf den Balkon verbannt. Immerhin scheint das Stichwort „Aschenbecher“ für viele der Anwesenden eine Art Erlösung zu sein, denn das Gedränge und Geschubse, das man sonst nur aus Partyküchen kennt, findet nun auf dem Balkon statt. Aber dort ist es kalt, auch zu dieser Jahreszeit, und der Mantel hängt an der Garderobe. Schließlich will man nicht unhöflich sein.

Und so kam es, daß ich zwei Tage später tatsächlich nicht mehr aus dem Haus ging. Schnupfen und ein heißer Fieberkopf sorgten dafür, daß ich endlich einmal die Mail durchsehen konnte, die mein Mailer automatisch als „unwichtig“ einstuft und in entsprechende Ordner ablegt. Eigentlich könnte sie gleich ungelesen gelöscht werden, aber schließlich ist man Kolumnist, und überhaupt, man weiß ja nie. Warnungen vor Viren aller Art gehören dazu, die angeblich Festplatten löschen, Daten ausspionieren oder anderen Schabernack auf meinem Rechner treiben. Und solcher Unfug kommt nicht von den 400.000 neuen T-Online-Kunden, denen ich das verzeihen könnte, nein, es sind Leute, die es besser wissen sollten. Der Virus „Good Times“, so die Warnung, löscht beim Öffnen der Mail die Festplatte und läßt den Prozessor eine „x-komplexe, unendliche binäre Schleife“ laufen.

Offensichtlich genügen solche High-Tech-Phrasen, um User mit dem gesunden Halbwissen in Panik geraten zu lassen. Doch ob „Penpal Greetings“, „Irina“, „Make Money fast“ – ein Virus kann einfach nicht in einer simplen Textmail übertragen werden, auch nicht in einem angehängten Bildchen. Bei Windows- Rechnern ist es angebracht, übers Netz empfangene Programmdateien vor dem ersten Start (!) einem Virencheck zu unterziehen. Dazu gehören auch die ZIP-Archive. Auch wer Dateien für das Office-Paket empfängt (Typ DOC oder XLS), sollte vor dem ersten Öffnen (!) nachsehen, ob ein Makrovirus darin enthalten ist. Das ist schon alles.

Und was machen die selbsternannten Internetspezialisten? Sie verbreiten diesen Quark weiter, anstatt die Leute aufzuklären. Aber es soll ja auch Leute geben, die auf Sportlerparties unbedingt Zigaretten rauchen wollen. Dieter Grönling

dieter@taz.de