Einstweilige Verdammnis

■ Am Ende des 20. Jahrhunderts ist der Teufel Chef einer großen Anwaltskanzlei

Es riecht nach Schwefel im Kino. Der Leibhaftige hat in den letzten Jahren Leinwandkarriere gemacht, mal als „durchschnittlicher kleiner, geiler Teufel“ in den „Hexen von Eastwick“, mal als cooler Seelenmakler in „God's Army“. Jetzt versucht sich Al Pacino an teuflischen Manierismen. Sein Antichrist John Milton kann in Taylor Hackfords „Im Auftrag des Teufels“ dabei eine so zeitgemäße wie passende gesellschaftliche Position vorweisen: Am Ende des 20. Jahrhunderts ist der Teufel Chef einer global operierenden Anwaltskanzlei.

Und der kleine Strafverteidiger mit den großen Ambitionen, Kevin Lomax (Keanu Reeves), ist die perfekte Ergänzung für Miltons Unternehmen, denn der junge Rechtsanwalt ist längst von Skrupeln befreit. Nachdem er in einem Prozeß das Opfer sexuellen Mißbrauchs im Zeugenstand in den Nervenzusammenbruch getrieben hat, um seinen Mandanten freizubekommen, erreicht Lomax das attraktive Angebot aus New York. Eine aufstrebende Firma, ein charismatischer Chef, kostenlose Unterbringung in einem großzügigen Apartment in seinem noblen Haus, ein üppiges Salär – Lomax und seine Frau (Charlize Theron) können da noch nicht ahnen, daß ihnen das vermeintliche Geschenk des Himmels aus einer ganz anderen Richtung gereicht wird.

Lomax läßt sich auch nicht verunsichern. Weder von den Warnungen seiner religiösen Mutter noch von den merkwürdigen, immer reichlich schuldigen Klienten, von überraschenden Todesfällen, und auch nicht von den dämonischen Fratzen, die seine Frau in ihrer Umgebung zu sehen glaubt. Erst spät, als sich Lomax' Frau vor seinen Augen umbringt, halb wahnsinnig nach einer Begegnung mit dem Teufel, sieht der Anwalt Gesprächsbedarf mit seinem Arbeitgeber. Der erklärt freimütig, Lomax sei sein Sohn, und er sei der Teufel, aber er mache ja nichts. Er lasse den Menschen einfach ihren Willen und immer die Wahl, das sei doch besser als Gottes sadistische Verfügungen. „Look, but don't touch; Touch, but don't taste; Taste – don't swallow.“ Dem diabolischen Plan, die Ahnenreihe per Begattung seiner attraktiven Halbschwester Christabella fortzusetzen, glaubt sich Lomax, „die Wahl“ gelassen, per Kopfschuß entziehen zu können. Aber Lomax' Eitelkeit (Vatis Lieblingssünde) wird ihn immer wieder vom richtigen Weg abbringen.

Wie der aussieht, bleibt bei Hackford sodann aber so offen wie die Suche nach einer tiefergehenden Moral. Soll ein schlichtes, gottesfürchtiges Leben als Kistenstapler im Supermarkt – weit weg von der Juristerei und jedwedem Karrieredrang – der „richtige Weg“ durchs Leben sein? Die Möglichkeiten, eine zeitgemäße Geschichte über das Teuflische im Alltag zu erzählen, verschenkt Hackford in jedem Fall. Gelungene und verstörende Szenen und treffende Mono- und Dialoge werden erdrückt vom Zwang, spätestens zum Filmende alles vorgeführt und erklärt zu haben. Statt Ambivalenz und dem möglichen Schluß, daß das Teuflische in uns selbst ist und keinen Leibhaftigen braucht, zeigt Hackford Feuer, Rauch, Schwefel und Satan – und letztlich doch nur einen Streifen aus dem Hollywood-Setzkasten: „Die Firma“ trifft auf „Angel Heart“, „Wall Street“ auf „Rosemary's Baby“. Thomas Klein

„Im Auftrag des Teufels“. Regie: Taylor Hackford. Mit Keanu Reeves, Al Pacino, Charlize Theron, USA 1997, 144 Min.