■ Schwangerenberatung: Der Vatikan will eine weiße Weste behalten
: Der katholische Weg in die Sekte

Kein anderes Thema liegt der katholischen Kirche so schwer im Magen wie die Frage der Abtreibung. Das ungeborene Leben ist für die Katholiken heilig und steht im Zweifel höher als das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Deshalb hat sich die Kirche nach jahrelangem politischem und juristischem Streit nur mit lautem Zähneknirschen zu einem Kompromiß bei der Beratung von Schwangeren durchringen können: Beratung „zum Leben“, aber trotzdem die Ausgabe der erforderlichen Scheine für den Abbruch.

An diesem zerbrechlichen Kompromiß rüttelt nun das römische Machtwort. Zwar ist das Schreiben noch geheim. Doch allgemein wird erwartet, daß neben einem Schlupfloch, die Entscheidung über die Beratung bei den Bischöfen zu belassen, der Brief vor allem eine donnernde Verurteilung der Abtreibung enthält und die Bischöfe mahnt, die Beratungen einzustellen.

Unabhängig vom konkreten Inhalt des Schreibens ist eine Tendenz unübersehbar: Mit dem Dilemma der Abtreibung, sich nach katholischer Lesart an der Tötung ungeborenen Lebens schuldig zu machen oder aber die Frauen allein zu lassen, will Rom nichts zu tun haben. Hauptinteresse des Vatikan ist es, in dieser heiß diskutierten Frage eine weiße Weste zu behalten. Alle KatholikInnen, die sich nicht auf die ethischen Höhen des Vatikan zurückziehen können, machen sich damit schuldig: die Frauen, die BeraterInnen, die Bischöfe.

Diese Oberhirten nun müssen sich wieder einmal entscheiden, ob sie sich für ihre Schäfchen einsetzen oder brav dem Herdentrieb folgen sollen. Wenn ihnen an den Menschen etwas liegt, müßten sie den Papst darauf hinweisen, daß der Rückzug der Beratungsstellen gerade ihre eigenen Gläubigen in den katholischen Landesteilen treffen wird. Denn gerade die katholischen Frauen, die sich für oder gegen eine Abtreibung entscheiden müssen, haben dann keine katholischen Ansprechpartner mehr. Die Bischöfe müßten sich aber auch dagegen wenden, daß der Brief des Papstes die offizielle Kirche in Deutschland endgültig in die Defensive bringt.

Denn was die konservativen Kardinäle Dyba und Meisner fordern – und was jetzt Rom bestätigt –, bedeutet die Verengung des Blickwinkels nur auf die eigene Klientel: Beratung also nur für die Frauen, die ohnehin nicht abtreiben wollen. Das aber ist die endgültige Abkehr von einer Kirche, die sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vor 30 Jahren als offen für andere Meinungen und Andersdenkende zu präsentieren versucht. Und das bedeutet nichts anderes als den endgültigen Abschied von der Volkskirche – den Weg in die Sekte. Bernhard Pötter